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Panorama

Der bange Blick in die Türkei: „Wir haben uns die Verwandtschaft regelrecht aufgeteilt“

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Die Türkei im Ausnahmezustand. Eine Reihe von besonders gewaltigen Erdbeben und ebenso starken Nachbeben haben den Süden und Südosten des Landes regelrecht in Schutt und Asche gelegt. Viele Menschen suchen verzweifelt nach ihren Liebsten. Auch von Deutschland aus.

Bereits zu diesem Zeitpunkt ist von mehreren Tausend Toten die Rede. Experten befürchten, dass die Erdbebenserie, die in den frühen Montagsstunden begann, womöglich über 10.000 Leben kosten wird.

Während am Ort des Geschehens jede Minute zählt, kann das bange und ungewisse Warten für Personen in größerer Entfernung zur Tortur werden. Der starre Blick auf die letzte Whatsapp-Nachricht, der nicht erfolgende Rückruf… Viele würden am liebsten selbst mit anpacken, da gerade jede helfende Hand wichtig ist. Doch es ist für die meisten Menschen nahezu unmöglich, in die betroffenen Regionen zu gelangen, nicht nur, weil auch zahlreiche Flughäfen beschädigt wurden. Am schwierigsten dürfte es für Türkinnen und Türken im Ausland sein. So fürchten auch Deutsch-Türken um Angehörige.

„Ich bin quasi damit aufgewacht“

Enes Kulaksız (24) aus Gelsenkirchen ist einer von ihnen. Seine Familie stammt aus einer der zehn betroffenen Provinzen der Türkei. Väterlicherseits liegen Enes‘ Wurzeln in Gaziantep. Die Verwandtschaft seiner Mutter kommt aus Hatay. Zwei Städte, die die Erdbeben maximal getroffen haben. Unsere Redaktion erreichte Kulaksız am Montagmittag.

„Ich bin quasi damit aufgewacht“, sagt der 24-Jährige im Gespräch mit DTJ-Online. Das Erdbeben traf die Menschen um kurz nach 4 Uhr Ortszeit, also in den überwiegenden Fällen im Tiefschlaf. Seine Gedanken seien sofort bei den Verwandten gewesen: Großeltern, Onkels, Tanten und Cousins. „Unsere Familie ist recht groß. So war auch die Angst groß, dass jemandem etwas zugestoßen sein könnte, da alle verteilt in den Städten leben. In den Dörfern ist eigentlich keiner mehr sesshaft. Gegen 6:30 hat mich meine Mutter geweckt und mich gebeten, einen Teil der Familie zu kontaktieren. Wir mussten uns die Personen regelrecht aufteilen“, so Kulaksız.

Keine Rückmeldung von der Tante

Dann die erste gute Nachricht, endlich. Die Großeltern seien wohlauf, ihr Gebäude habe den Erdstößen standgehalten – vorerst, muss man ergänzen. Denn immer wieder kommt es zu Nachbeben, die zerstörte Gebäude weiter beschädigen oder zum Einsturz bringen und auch noch größtenteils unversehrten Gebäude gefährden können. Naturgemäß ist Kulaksız froh angesichts des Wohlergehens der Großeltern, doch die Angst bleibt.

Und das hat einen berechtigten Grund: „Von meiner Tante väterlicherseits und ihren Kindern haben wir bislang noch keine Rückmeldung. Wir versuchen sie seit heute Vormittag zu erreichen, doch ihr Haus ist wohl leider komplett eingestürzt“, berichtet Kulaksız. Wie tausende weitere Personen auch warten sie nun auf Hilfe. Ein Wettlauf gegen die Zeit, da es regnet und phasenweise schneit. Der Winter in dieser Region fällt für gewöhnlich sehr kalt aus. Die helfenden Hände müssen gegen Geröll, Nachbeben und das kalte Wetter ankämpfen.

„Uns bleibt nicht anderes übrig, als zu beten“

Auch Suzan Çam (30) aus dem Kreis Mettmann bei Düsseldorf bangt um ihre Verwandten in Hatay. Erst Stunden später habe sie endlich von allen Verwandten ersten Grades erfahren, dass sie wohlauf seien. Die Erleichterung war natürlich groß, doch Freunde aus ihrem Umfeld hätten weniger Glück gehabt. „Meine Freundin hat heute schon eine Nachricht erhalten, dass Angehörige beim Einsturz verstorben sind. Es ist wirklich grauenhaft. Man hat ja keine Chance hier, etwas zu tun. Uns bleibt nicht anderes übrig, als zu beten und zu warten“, so Çam.

Ein Mann steht vor einem zerstörten Gebäude in Hatay und wartet auf ein Lebenszeichen.

Derweil gibt es Hilfe aus aller Welt. Staaten beteiligen sich an den Bergungsarbeiten und entsenden Hilfstruppen. Selbst Elon Musk hat seine Hilfe angeboten. Er hat der türkischen Regierung via Twitter die Verwendung seiner Starlink-Satelliten in Aussicht gestellt, um eine dauerhafte funktionierende Internet-Verbindung zu ermöglichen. Noch ist die Regierung nicht darauf eingegangen. Tatsächlich wurde Twitter von Nachrichten von Personen überschwemmt, die melden, wo sie vergraben liegen und Hilfe benötigen. Es bleibt zu hoffen, dass man sie noch rechtzeitig aus den Trümmern zieht.

Beben in der Türkei: Über welche Hilfsorganisationen gespendet werden kann

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