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Gesellschaft

Der Fall Narin: Wer hat das zierliche Mädchen auf dem Gewissen?

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Istanbul: Demonstranten zeigen ein Plakat mit einem Foto von Narin Güran. Im ganzen Land gehen seit Wochen vor allem Frauen für sie auf die Straßen. Foto: Onur Doğman/SOPA Images via ZUMA Press Wire/dpa
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Der tragische Mord an der achtjährigen Narin Güran aus Diyarbakır hat in der Türkei und darüber hinaus für große Bestürzung gesorgt. Die jüngsten Entwicklungen im Fall deuten an, dass die Ermittlungen alles andere als leicht werden. Doch die bisherige Mauer des Schweigens zeigt erste Risse.

Die Ermittlungen im Mordfall der 8-jährigen Narin Güran aus Diyarbakır schreiten weiter voran, neue Entwicklungen heizen das öffentliche Interesse weiter an. Narin war bekanntlich am 21. August in der Tavşantepe-Nachbarschaft von Diyarbakır verschwunden. Nach einer fast dreiwöchigen intensiven Suche wurde am Sonntag ihr lebloser Körper in einem nahegelegenen Flussbett entdeckt worden. Seitdem führt die Staatsanwaltschaft umfassende Ermittlungen durch, die bisher zu mehreren Festnahmen führten, darunter auch enge Familienangehörige des Opfers.

Am Dienstag sorgte die Anwältin des Hauptverdächtigen Salim Güran, Narins Onkel und zugleich Ortsvorsteher, für einen Paukenschlag. Seda Toğrul, die Salim Güran seit Anfang September verteidigte, gab bekannt, dass sie sich von dem Fall zurückziehe. „Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen und dem Fund von Narins Leiche kann ich diesen Fall als Mutter nicht weiter begleiten.“ Toğrul betonte, dass sie den Fall als Bürgerin und Mutter weiterhin verfolgen werde, um eine gerechte Verhandlung zu gewährleisten.

Neues Geständnis belastet Onkel

Neben der Anwältin brach auch Nevzat B., ein weiterer Verdächtiger, sein Schweigen. Er gestand vor Gericht, dass er Narins Leiche im Flussbett versteckt habe. In seiner Aussage behauptete B., von Salim Güran mit dem Tod bedroht worden zu sein. „Salim sagte zu mir: ‚Ich habe Arifs Tochter getötet, und du wirst die Leiche verschwinden lassen. Andernfalls bringe ich dich und deine Familie um.‘“

Diyarbakır: Vermisste Narin in zuvor durchsuchtem Flussbett gefunden

Die Ermittlungen konzentrieren sich nun auch auf den Tod von Narins älterer Schwester Tülin Güran, die im Jahr 2009 in einem Krankenhaus in Diyarbakır an Atemversagen gestorben sein soll. Die Staatsanwaltschaft hat die Krankenunterlagen der damals 16-jährigen angefordert, um zu prüfen, ob auch in diesem Fall Fremdeinwirkung eine Rolle gespielt haben könnte. Dieser Schritt zeigt, wie tief die Behörden nun in das Familienleben von Narin Güran, um mögliche Verbrechen aufzudecken. Bei der Beerdigung von Narin am Montag schrie eine anwesende Frau zudem, dass auch ihre Tochter Havin „auf diese Weise“ umgebracht worden sei. Was dahinter steckt, dürfte die Behörden in den nächsten Tagen ebenfalls beschäftigen.

AKP-Abgeordneter verteidigt die Familie

Längst hat der Tod Narins auch eine politische Dimension erreicht, nicht zuletzt aufgrund der Aussage von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, er werde den Fall persönlich verfolgen. Auch der AKP-Abgeordnete Galip Ensarioğlu aus Diyarbakır äußerte sich zur Komplexität des Falls und wies auf die Notwendigkeit hin, nicht voreilig Schlüsse zu ziehen. „Es handelt sich um eine Großfamilie, nicht alle Familienmitglieder sind notwendigerweise in das Verbrechen verwickelt. Es ist wichtig, dass wir Spekulationen vermeiden und die Ermittlungen den zuständigen Behörden überlassen“, sagte Ensarioğlu. Die Familie stehe der Mitte-Rechts-Politik und damit auch der AKP nahe, weise jedoch keine extremistischen Tendenzen auf. In den sozialen Medien stieß diese Bemerkung auf Kritik.

Daraufhin relativierte Ensarioğlu seine Aussagen in den sozialen Medien und in einem Interview mit Habertürk. Er erklärte, dass seine Äußerungen in der Sendung „Sözcü TV“ aus dem Kontext gerissen worden seien und betonte, dass er keine Informationen verbergen oder den Ermittlungen im Wege stehen wolle. „Die Äußerungen, ich hätte gesagt, dass die Familie möglicherweise in das Verbrechen verwickelt ist, sind nicht korrekt. Es gibt sowohl bekannte als auch unbekannte Aspekte des Falls, und ich unterstütze die Ermittlungen vollständig“, so Ensarioğlu. Er bat die Öffentlichkeit, den offiziellen Aussagen der Ermittlungsbehörden Glauben zu schenken und spekulative Berichterstattung zu vermeiden.

Aktuell wird davon ausgegangen, dass Narin etwas gesehen hat, was sie hätte nicht habe sehen sollen, und deswegen sterben musste.