Connect with us

Film/Kultur/Religion

Erzfeind Erdoğans: Wer war Fethullah Gülen?

Published

on

Fethullah Gülen ist vergangene Woche im Alter von 83 Jahren gestorben. Foto: Selahattin Sevi
Spread the love

Nach dem Tod des türkischen Geistlichen Fethullah Gülen werden seine Anhänger weiter weltweit verfolgt. Wer war der Mann, gegen dessen Bewegung der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan so rigide vorgeht? 

Der türkische Islamgelehrte Fethullah Gülen war eine Lichtgestalt. Wo er auftauchte, scharten sich Menschen um ihn. Doch seit Jahren trat er nicht mehr öffentlich auf. Das hatte politische Gründe, wurde er doch vom türkischen Geheimdienst bis in sein US-Exil verfolgt. Nun ist Gülen, der seit 1999 in den USA lebte, tot. Am Donnerstag wurde er in Pennsylvania bestattet.

Offenbar ging es ihm gesundheitlich schon länger schlecht. Nun starb der 83-jährige Geistliche am Sonntagabend in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Pennsylvania. Der von der Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als Staatsfeind betrachtete Gülen wird in Ankara als Drahtzieher des Putschversuchs von 2016 verteufelt. Belastbare Beweise dafür gab es nie. Doch im öffentlichen Meinungsbild, das stark von regierungsnahen Medien geprägt wird, gab es keine zwei Meinungen.

Gülen-Netzwerk international aktiv

Staatsfeind, Erzrivale, Geistlicher? Der Gründer der sogenannten Hizmet-Bewegung war vielmehr als das. Er kam als Sohn eines Dorf-Imams in der osttürkischen Provinz Erzurum zur Welt und widmete sich früh religiösen Studien. Als Prediger sprach er oft vor Schülern und Studierenden, zunächst nur in der Türkei, später auch im Ausland.

Zwischen Respekt und Hass: Reaktionen auf den Tod von Fethullah Gülen

Das von ihm gegründete Netzwerk ist in vielen Ländern aktiv. Ziel der Bewegung ist es nach eigenen Angaben, Muslime über Bildungseinrichtungen, Medien und Vereinsarbeit für eine fromme Lebensweise zu gewinnen. Teilweise gehörten prominente Figuren in der Türkei zu Gülens Anhängern, etwa der frühere türkische Fußball-Nationalspieler Hakan Şükür, der sich in der Vergangenheit offen zu seiner Sympathie bekannt hatte und in der Türkei nun ebenfalls als Persona non grata gilt.

Erdoğan brauchte Gülens gut ausgebildete Anhänger

In der Türkei stiegen Gülen-Anhänger jahrelang in Schlüsselpositionen auf. Das hatte gute Gründe. Denn sie waren nicht nur gut ausgebildet. Gülen, Erdoğan und auch viele weitere Demokraten hatten zeitweise ähnliche Ziele: die politische Macht des säkular geprägten Militärs zurückdrängen und dem frommen Teil der Gesellschaft zum Aufstieg verhelfen.

Doch 2013 kam es wegen vieler politischer Differenzen und dem zunehmend autoritären Kurs Erdoğan zum Bruch. Erdoğan bezichtigte die immer mehr an Einfluss gewinnende Gülen-Bewegung, einen Korruptionsskandal angefacht zu haben, durch den auch mehrere führende Politiker aus Erdoğans Umfeld und sogar sein Sohn Bilal in Bedrängnis gerieten.

Gülen-Anhänger weltweit verfolgt

Nach dem Putschversuch 2016 und dem Ausnahmezustand, den der türkische Machthaber anschließend ausrief und der erst im Juli 2018 endete, ging die Regierung gegen mutmaßliche Putschisten und Anhänger von Gülens Netzwerk vor. Per Dekret wurden damals mehr als 100.000 Staatsbedienstete entlassen und Zehntausende Menschen verhaftet.

MIT unter Verdacht: Sieben türkische Staatsbürger in Kenia entführt

Weltweit lässt der türkische Geheimdienst bis heute tatsächliche oder vermeintliche Gülen-Anhänger entführen. In der Türkei ist die von Gülen gegründete Bewegung als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland wird sie von den deutschen Sicherheitsbehörden nicht als extremistische Bestrebung betrachtet und daher auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Seine Gegner sehen in Gülens Tod eine Genugtuung. Für die Hizmet-Bewegung ist der Verlust ihres Gründers und Vordenkers hingegen ein harter Schlag. In Zeiten, in denen ihre Anhänger weiterhin verfolgt werden, war ihr geistiges Oberhaupt, auch wenn er nur selten öffentlich auftrat, Trostspender und Mutmacher.

Mit Material von dpa