Menschenrechte
„Ich hätte nicht gedacht, dass mein Gebet eines Tages als Terrorismus gewertet wird“
In der Türkei läuft die Anhörung gegen mehrere minderjährige Mädchen, die im Mai im Rahmen von Terrorermittlungen festgenommen wurden. Die genauen Vorwürfe sind weiter unklar, doch Berichte deuten darauf hin, dass harmlose Aktivitäten wie Kino- und Bowlingbesuche als Beweise für terroristische Verbindungen gewertet werden. Menschenrechtler kritisieren den Prozess als politisch motiviert und fordern Transparenz sowie ein Ende der Strafverfolgung.
Der Prozess gegen 15 minderjährige Mädchen in der Türkei dauert an. Den Jugendlichen wird vorgeworfen, an Kino- und Bowlingbesuchen teilgenommen zu haben, was als Beleg für terroristische Verbindungen gewertet werde, heißt es in Berichten von Medien, die der Gülen-Bewegung nahestehen. Beobachter befürchten, dass die Mädchen gezwungen werden könnten, gegen ihre Eltern auszusagen, die verdächtigt werden, Teil der Gülen-Bewegung zu sein, die in der Türkei spätestens seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 als Terrororganisation verfolgt wird. Der DEM-Abgeordnete Ömer Faruk Gergerlioğlu verfolgte am ersten Tag den Prozess vor Ort. Doch nach seiner Kritik auf der Plattform X wurde ihm nach eigenen Angaben am zweiten Tag der Zutritt in den Gerichtssaal verwehrt, teilte der Politiker mit. Daraufhin habe er sich bei der türkischen Staatsanwaltschaft über den verantwortlichen Richter beschwert.
Anwältin: „Am häufigsten fallen Begriffe wie Koran und Gebet“
Die Rechtsanwältin Hatice Yıldız verteidigt die Minderjährigen vor Gericht. Auf X berichtet sie von dem Prozess: „Wir haben immer noch keine konkreten Vorwürfe, die die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation nachweisen“, schrieb sie über den dritten Prozesstag. „Interessant ist auch, dass die Kinder in ihrer Schulbildung sehr erfolgreich sind. Seit drei Tagen fallen am häufigsten Begriffe wie ‚Koran, Gebet‘. Der einzige Vorwurf lautet, dass zwei Personen gegen eines der Mädchen ausgesagt haben sollen, dass dieses vorgeschlagen habe, Videos von Fethullah Gülen anzusehen.“ Eines der Mädchen sei wegen der Vorwürfe irritiert: „Ich hätte nicht gedacht, dass mein Gebet eines Tages als Terrorismus gewertet wird.“
Menschenrechtler fordern Transparenz und Fairness
Menschenrechtler aus verschiedenen Ländern beobachten den Fall. „Als Menschenrechtsverteidiger fordern wir das türkische Justizministerium und die Gerichte auf, diese politisch motivierte Strafverfolgung unverzüglich zu beenden. Wir verlangen zudem, dass internationale Beobachter vollen Zugang zu den Gerichtsverfahren erhalten, um Transparenz und Fairness zu gewährleisten“, heißt es in einer Pressemitteilung von Human Right Defenders (HRD). Die Türkei müsse daran erinnert werden, dass ihre Handlungen weltweit beobachtet würden und dass Verletzungen grundlegender Menschenrechte nicht unbemerkt oder unbeantwortet bleiben würden, heißt es dort.
Bereits im Vorfeld des Prozesses hatte es Aufrufe von Menschenrechtlern gegeben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Solidarity hatte dazu aufgerufen, den Fall genau zu verfolgen. In einem offenen Brief an den türkischen Justizminister Yılmaz Tunç warnen zudem der Bewegung nahestehende Aktivisten vor einem Missbrauch der Anti-Terror-Gesetze zur Unterdrückung von Andersdenkenden und der Opposition. Diese Gesetze würden zu weit ausgelegt und sogar Belanglosigkeiten als Terrorismus werten.