Connect with us

Menschenrechte

Kampf gegen Dissidenten: Interpol sperrt Türkei für Nutzung seiner Passdatenbank

Published

on

Hinter Stacheldraht: Nach dem gescheiterten Putsch von 2016 wurden mutmaßliche Gülen-Anhänger:innen weltweit verfolgt – auch via Interpol. Foto: Engin Akyurt/Unsplash
Spread the love

Interpol hat den Zugang der Türkei zur Datenbank über verlorene und gestohlene Pässe vorübergehend ausgesetzt. Diese Maßnahme erfolgte, nachdem bekannt wurde, dass die Türkei Systeme der internationalen Polizeiorganisation nutzt, um im Ausland lebende Dissidenten zu verfolgen.

Die internationale Polizeigewerkschaft suspendiert die Türkei – zumindest in Teilen. Türkische Sicherheitsbehörden dürfen die Interpol-Passdatenbank über verlorene und gestohlene Pässe nicht mehr mehr nutzen. Der Schritt folgt auf den Missbrauch sogenannter „Red Notices“ – zu Deutsch: internationale Haftbefehle, die von Ankara massenhaft angefragt wurden. Offenbar versuchte die Türkei so Dissident:innen im Ausland zu schikanieren.

Infolge dieses Missbrauchs setzte Interpol nun ein Team ein, das verdächtige „Red Notices“ überprüft und genehmigt, bevor sie in Umlauf gebracht werden. Das berichtet die New York Times. Und tatsächlich waren die Beziehungen zwischen dem Land des Langzeit-Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und der internationalen Organisation zuletzt von Spannung geprägt.

Nützliche Information im Kampf gegen Kritiker:innen weltweit

So weigerte sich Interpol bereits 2021 insgesamt  773 „Red Notices“ gegen tatsächliche oder vermeintliche Anhänger:innen von Fethullah Gülen auszustellen. Die Türkei kritisitierte das öffentlich. In der Folge annulierte die Türkei die Pässe von hunderttausenden Menschen, die verdächtigt werden. Ein Vater erzählte der New York Times in einem Interview, dass er mehr als ein Jahr lang von seiner Frau und seinen beiden Kindern getrennt gewesen sei, nachdem sein Pass im Jahr 2022 eingezogen worden sei. Die Türkei hatte den Pass in den Interpol-Datenbanken wohl als verloren oder gestohlen registriert.

Eine weitere Maßnahme, die von der Türkei gegen Dissident:innen eingesetzt wurden, sind sogenannte „Blue Notices“. Mit ihnen können die Sicherheitsbehörden eines Mitgliedsstaats via Interpol personenbezogene Daten ihrer Bürger:innen abrufen – zum Beispiel ihren Aufenthaltsort, eine nützliche Information im Kampf gegen kritische Stimmen weltweit.

Wechsel an der Spitze von Interpol steht an

Für Interpol sind solche Anfragen problematisch. Als unabhängige Organisation will sie sich nicht als Handlangerin autoritärer Regime missbraucht sehen. Zugleich ist sie aber den Interessen ihrer Mitgliedsstaaten verpflichtet. Hinzu kommt: Die Türkei testet die Belastbarkeit Interpols zu einem entscheidenden Zeitpunkt. Der derzeitige Generalsekretär Jürgen Stock scheidet aus seinem Amt aus. 2024 bekommt die Organisation eine neue Leitung.

Wie Menschenrechtler für eine Interpol-Reform kämpfen

Es bleibt abzuwarten, wie sich das auf die Verfolgung von Dissident:innen durch autoritärere Staaten auswirkt. Erste Gegenmaßnahmen werden indes getroffen. Hinzu kommt: Stephen Kavanagh, der britische Kandidat und aktuelle Stellvertreter von Jürgen Stock, spielte eine Schlüsselrolle bei der Verschärfung des „Red Notice“-Systems. Ihm werden gute Chancen eingeräumt, die Nachfolge seines Vorgesetzten anzutreten

Fest steht: Die künftige Interpol-Führung steht vor einer schwierigen und entscheidenden Aufgabe – den Kampf gegen autoritäre Kräfte. Es gilt, ihr Ansehen und ihre Integrität in einer komplexen globalen Konstellation zu wahren. Eine Aufgabe, die zweifellos anspruchsvoll sein wird.