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Bildung & Forschung

Kirgistan beugt sich Druck: Gülen-Privatschulen an die Türkei übergeben

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Leere im Klassenzimmer. Foto: Bisworaj Saheb / Unsplash
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Der türkische Druck zeigt Wirkung: Nach jahrelangen Forderungen übernimmt die türkische Maarif-Stiftung das renommierte Sapat-Schulnetzwerk in Kirgistan. Auf Schüler, Eltern und Lehrkräfte wartet eine ungewisse Zukunft.

.Am 31. Dezember verkündete Edil Baisalov, stellvertretender Leiter des kirgisischen Ministerkabinetts, die Übergabe der Sapat-Bildungseinrichtungen an die türkische Maarif-Stiftung. Diese Übernahme ist ein großer Erfolg für die türkische Regierung, die seit dem gescheiterten Putschversuch 2016 massiven Druck auf die kirgisische Regierung ausübte.

Ankara wirft der Gülen-Bewegung, gegründet vom inzwischen verstorbenen Fethullah Gülen, vor, den Putsch initiiert zu haben. Die Sapat-Schulen gelten aus türkischer Sicht als Teil dieses Netzwerks und somit als Sicherheitsrisiko für beide Länder.

Maarif-Stiftung in der Defensive

Das weit verzweigte Schulnetz umfasst elf Grundschulen, 16 weiterführende Schulen und eine Universität in der Hauptstadt Bischkek. Die Entscheidung traf Schulleitungen, Lehrkräfte, Schüler und Eltern unerwartet – sie erfuhren erst nach dem Beschluss von der Übernahme.

In einer ersten Reaktion kündigte Sapat an, die Entscheidung vor Gericht anzufechten. Doch nur zwei Tage später, am 2. Januar, erklärte die Schulorganisation, dass sie alle Bildungseinrichtungen an die Maarif-Stiftung übergeben habe, die nun die rechtliche Verantwortung trage.

Juristischer Widerstand und fragwürdige Verfahren

Besonders brisant: Die Übergabe erfolgte während eines laufenden Gerichtsverfahrens zur Eigentumsfrage der Schulen. Der nächste Verhandlungstermin war für den 21. Januar angesetzt. Das Bildungsministerium hatte vor Gericht die Entfernung eines kirgisischen Staatsbürgers mit den Initialen A.S. von der Liste der Schulgründer beantragt.

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Bereits zuvor waren zwei andere Gründer entfernt worden – einer davon, Orhan İnandı, nach seiner Entführung aus Kirgistan und Inhaftierung in der Türkei. Der andere Gründer soll freiwillig auf seine Nennung verzichtet haben. Mit dem letzten verbleibenden Gründer verschwand das letzte juristische Hindernis für die vollständige Kontrolle durch das Bildungsministerium und die folgende Übergabe an Maarif.

Ein Kompromiss, der keiner war

Schon 2017 hatte die türkische Regierung die Schließung aller Sapat-Schulen gefordert. Die kirgisische Regierung lehnte dies ab, erklärte sich jedoch bereit, das Bildungsministerium in die Liste der Gründer aufzunehmen und die Kontrolle zu verstärken. Zudem wurden die Schulen von „Sebat“ in „Sapat“ (kirgisisch für „Qualität“) umbenannt, um die lokale Eigenständigkeit zu betonen.

Doch der Druck aus Ankara hielt an. 2018 forderte der türkische Botschafter in Kirgistan, Cengiz Kamil Fırat, erneut die Übergabe der Schulen an die Türkei. Seine Begründung: Die Schulen seien mit türkischen Steuergeldern gebaut und finanziert worden.

Erdoğan-Besuch zeigt Wirkung

Kurz nach einem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Kirgistan einigten sich beide Länder darauf, Maarif-Schulen als Alternative zu den Sapat-Einrichtungen zu eröffnen. Die erste – und bislang einzige – Maarif-Schule wurde im September 2021 in Bischkek eröffnet.

Der politische Umbruch in Kirgistan im Oktober 2020 brachte schließlich eine Regierung an die Macht, die den Forderungen Ankaras offener gegenüberstand. Im Juni 2021 wurde der langjährige Sapat-Direktor Orhan İnandı in Bischkek entführt. Wenige Tage später wurde bekannt, dass er von türkischen Agenten verschleppt und in der Türkei festgenommen worden war – trotz seines kirgisischen Passes.

Präsident Sadyr Dschaparow kritisierte die lokalen Sicherheitsbehörden für ihr Versagen und versprach, İnandı zu seiner Familie zurückzubringen. Doch 2023 wurde dieser in der Türkei wegen Terrorismus zu 21 Jahren Haft verurteilt.

Ungewisse Perspektiven für Schüler und Lehrkräfte

Die Zukunft der ehemaligen Sapat-Schulen ist jedenfalls unklar. Seit ihrer Gründung im Jahr 1992 haben sie sich landesweit einen Ruf für exzellente Bildung in Englisch und den Landessprachen erworben.

Die Schulen gelten als Vorreiter für Chancengleichheit, da sie auch außerhalb der Hauptstadt qualitativ hochwertige Bildung bieten. Ihre Schüler erzielen regelmäßig Spitzenplätze bei nationalen und internationalen Wettbewerben. So gehörten 2024 dreizehn der 58 besten Abiturienten des Landes zu den Absolventen der Sapat-Schulen.

Lehrermangel und Unterrichtsausfall

Doch erste Auswirkungen der Übernahme sind bereits spürbar: Mindestens 28 Lehrkräfte, vor allem aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, haben die Schulen verlassen. Weitere werden voraussichtlich zum Ende des Schuljahres folgen.

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Eltern berichten von Lehrermangel und dem Ausfall von naturwissenschaftlichen Fächern, die teils durch zusätzlichen Sportunterricht ersetzt werden. Das renommierte „Umut“-Programm zur Vorbereitung auf internationale Wettbewerbe und Aufnahmeprüfungen wurde nach der Übernahme ausgesetzt.

Die Maarif-Stiftung hat Investitionen in Höhe von 2,5 Millionen US-Dollar angekündigt, um die Infrastruktur zu modernisieren, Gebäude zu renovieren und neue Lehrkräfte zu gewinnen. Sie verspricht, die Qualität der Bildung zu erhalten und zu verbessern. Doch ob es ihr gelingt, den jahrzehntelangen Ruf der Sapat-Schulen aufrechtzuerhalten, scheint mindestens fraglich.