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Gesellschaft

Entführung in Kazakhstan – “Ich vermisse die Stimme meines Vaters”

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Malaysia, Pakistan, Georgien und jetzt Kazakhstan? Seit dem Putschversuch 2016 häufen sich die Fälle von Entführungen und Auslieferung von türkischen Oppositionellen im Ausland an die Türkei.

Nun werden zwei türkische Männer vermisst, die die Türkei im Zuge des Putschversuches verlassen haben und seit einem Jahr in Kirgisistan lebten. Die Familien sind besorgt und wollen wissen: Wo sind unsere Ehemänner?

Von dtj-online

Hat der lange Arm Erdogans erneut zugeschlagen? Immer häufiger werden mysteriöse Entführungsfälle von türkischen Oppositionellen im Ausland bekannt. Zuletzt sollen zwei Männer in Kazakhstan entführt worden sein. Darüber berichten die Ehefrauen der beiden verschwundenen Männer und bitten via Twitter um Hilfe.

Das dtj-online hat mit den beiden Frauen über die Fälle gesprochen. Nach allem, was die beiden Frauen erzählen, ist der Fall äußerst mysteriös:

“Mein Mann wollte Ende September über den Flughafen Almata (Kasachstan) nach Europa fliegen. Aber er durfte seltsamerweise nicht in den Flieger steigen. Er wurde in einem Raum aufgehalten und befragt”, erzählt die Ehefrau von Enver Kılıç. “Nicht einmal sein Anwalt durfte zu ihm”, sagt die verzweifelte Frau Kılıç weiter. Der Anwalt soll lediglich ein Schreiben erhalten haben, auf dem von einem Auslieferungentscheid in die Türkei die Rede war. Den Auslieferungsentscheid haben die beiden Frau allerdings noch nicht zu sehen bekommen, wie Kılıç berichtet. Begleitet wurde Enver Kılıç von seinem Freund Zabit Kişi. Beide waren Lehrer an einer Gülen-nahen Schule, als sie noch in der Türkei lebten. Da die türkische Regierung die Gülen-Bewegung zur Zielscheibe gemacht hat und den Anhängern und Befürworter längere Haftstrafen drohen, viele Tausende bereits verhaftet und in Untersichungshaft misshandelt wurden, hatten beide Familien entschlossen, das Land zu verlassen. “Der Anwalt hat Angst, uns Informationen weiterzugeben. Er sagt uns, er werde wegen unserem Fall bedroht und verfolgt.” Wer genau den Anwalt verfolgt oder verfolgen lässt, ist unklar.

Die Familien Kisi und Kilic versuchen via Social Media auf das Schicksal ihrer Ehemänner aufmerksam zu machen. Sie gehen von Entführung aus und befürchten Folter.

Türkei stellt Vermissten-Anzeige bei Interpol

Die türkische Regierung will von dem Fall allerdings nichts wissen. Man habe den Frauen gesagt, man wisse nichts davon, dass die beiden Männer an die Türkei ausgeliefert worden sein sollen. In der Türkei seien sie nicht. Deshalb habe die türkische Regierung bereits eine Vermisstenanzeige ausgestellt.

Auch in der Youtube- Live-Sendung vom 1. November “Bi KONUŞALIM”, der bekannten türkischen Exil-Moderatoren Ahmet Bozkuş und Hakan Zafer, die beide derzeit im deutschen Exil leben, sprechen die Frauen über die mutmaßlichen Entführungen ihrer Ehemänner: “Seit 33 Tagen hören wir gar nichts über unsere Männer”, beklagt sich Kılıç. Wir haben den Fall bereits den Vereinten Nationen gemeldet, sagt sie weiter.

“Mein Sohn hört sich ständig eine alte Aufnahme seines Vaters an”

Zwar hat die türkische Regierung eine Vermisstenanzeige gestellt, dennoch wollen die beiden Frauen dem nicht wirklich trauen. Schließlich seien Fälle aus anderen Ländern bekannt. “Was mache ich mit meinen vier Kindern, wenn mein Mann getötet wird?”, fragt Kılıç mit Tränen in den Augen: “Mein jüngster Sohn will mit seinem Vater sprechen. Ich habe seine Stimme vermisst, sagt er ständig und hört sich eine alte Tonbandaufnahme seines Vaters an. Ich kann ihm die ganze Situation nicht erklären..”

Erdogan hat bereits viele Kritiker ausliefern lassen

Die beiden Lehrer arbeiten an einer Gülen-nahen Schule in Kazakhstan. Steckt das hinter der Geschichte?

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und die gesamte türkische Opposition sehen in Fethullah Gülen und seiner Bewegung den Drahtzieher für den gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 in der Türkei. Die Bewegung und Gülen selbst weisen diese Vorwürfe strikt ab. Seit dem die türkische Regierung auch bei Verbündeten im Ausland aufdringlich danach ersucht, die Institutionen der Bewegung zu schließen und Mitarbeiter dieser Einrichtungen an die Türkei auszuliefern, vermehren sich kooperationswillige Länder, die sich an den ausdrücklichen Wunsch des türkischen Staatspräsidenten halten. Aber auch auf inoffiziellen Wegen geschehen Auslieferungen, wie beispielsweise in Malaysia. Dort wurden Leiter einer türkischen Schule aus einer PKW-Garage entführt und an die Türkei ausgeliefert. Die in zivil bekleideten Kidnapper stellten sich erst im Nachhinein als malaysische Polizisten heraus, nachdem das Thema an die internationale Öffentlichkeit gelangte. Auch Amnesty International berichtete von dem Vorfall.

Viele Länder folgen Erdogans Wunsch

Nach Marokko, Saudi-Arabien und Georgien, hatte sich auch Pakistan diesem Wunsch der türkischen Regierung angeschlossen. Die Regierung beschloss im November 2016 sämtliche Lehrer und das restliche Personal von Gülen-nahen Einrichtungen auszuliefern. Insgesamt betraf die pakistanische Entscheidung 108 Mitarbeiter und ihre Familienangehörigen. Im letzten Moment konnte damals die Auslieferung durch das Verfassungsgericht Pakistans unterbunden werden. Die Mitarbeiter der Pak-Turk Schools erhielten Asylzertifikate der Weltflüchtlingsorganisation UNHCR und waren zunächst geschützt. Zumindest war das die Annahme.

Human Rights Watch will Aufklärung

Und trotzdem kehrte in Palistan keine Ruhe ein für Gülen-Anhänger, denn auch in Pakistan kam es zu einem ähnlichen Fall, wissen die Frauen in Kirgisistan: “Die Familie Çakmaz wurde entführt. Undzwar nahezu zeitgleich mit der Entführung unserer Ehemänner. Das halte ich für keinen Zufall”. Ähnliche Fälle gibt es aber auch in der Türkei selbst. Einige der Entführten Personen tauchten später bei der Polizei auf. Was steckt aber hinter diesen Entführungen? Darüber will Human Rights Watch (HRW) nun aufklären. Der HRW fordert seit Monaten von der Türkei die Untersuchung von Entführungen, bei denen nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation womöglich Behörden die Betroffenen haben verschwinden lassen. (Lesen Sie mehr zu Entführungen in der Türkei)

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