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Politik

Neuester Türkei-Bericht: Spätestens bei „Gülen“ scheiden sich die Geister

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Die EU-Kommission hat in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht die Situation im Westen des Balkans, den Status Bosnien-Herzegowinas und die demokratische Entwicklung der Türkei thematisiert. Das Ergebnis der Türkei spricht Bände. Durchschnittsnote: Rückschritt. Die Kritikpunkte in der Übersicht.

Brüssel rückt für die Türkei Jahr für Jahr in weite Ferne. So lässt sich der aktuelle Fortschrittsbericht der EU-Kommission über das Land lesen. Dabei versucht die Republik mehr als ein halbes Jahrhundert schon ein Teil der europäischen Gemeinschaft zu sein. Doch nicht einmal die lang ersehnte Visa-Freiheit in den EU-Staaten konnte Ankara für seine Bürger:innen bis dato erlangen. Im Gegenteil. Die türkische Regierung um Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat den großen Hoffnungsschimmer aus den frühen 2000er Jahren selbst im Keim erstickt.

Laut dem ehemaligen AKP-Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu sei dieser Umstand allein auf den politischen Willen seines einstigen Parteivorsitzenden zurückzuführen. Dieser wolle jegliche Reformen für einen echten Fortschritt im Sinne der EU unterbinden, um seine Komfortzone nicht verlassen zu müssen, so der heutige Vorsitzende der Gelecek Partisi (Partei der Zukunft).

EU-Kommission sieht gravierende Mängel in der Türkei

Zwar befinde sich die Türkei geopolitisch betrachtet in einer schwierigen Zone und die EU-Kommission sehe die schwerwiegende Bedrohung der Türkei durch den PKK-Terror. Doch daneben sei zu beobachten, dass „das Funktionieren der demokratischen Institutionen in der Türkei gravierende Mängel“ aufweise, heißt es in dem Bericht. Der demokratische Rückschritt zeige sich insbesondere am Justiz-Apparat.

Hier gehe die Regierung weiter systematisch gegen Oppositionspolitiker vor, entlasse Politiker wie Selahattin Demirtaş oder den Kulturmäzen Osman Kavala trotz mehrfacher Anordnung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht aus der Haft. Zahlreiche Bürgermeister kurdischer Städte seien abgesetzt und die jeweiligen Stadtverwaltungen unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Menschenrechtsorganisationen und Andersdenkende müssten nach wie vor schwere Repressalien befürchten. Ebenso ergehe es Journalist:innen und der Medienwelt.

„Fethullah Gülen ist kein Terrorist“

An dem Bericht ist auffällig, dass in Bezug auf die Gülen-Bewegung in keinem Punkt der Jargon der türkischen Regierung zum Einsatz kommt. Ein besonderes Anliegen spätestens seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 von ihr ist nämlich, dem Rest der Welt einzubläuen, dass es sich bei der Bewegung um Prediger Fethullah Gülen um „FETÖ“ handelt. Damit stigmatisiert die Regierung die Hizmet (Selbstbezeichnung der Gülen-Bewegung) und wirft ihr vor, eine „Fethullahistische Terrororganisation“ zu sein.

Der britische Jurist und Parlamentsabgeordnete Sir Edward Leigh sprach in einer jüngsten Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) auch über Gülen. Die andauernden Beleidigungen gegen diesen seien nicht hinnehmbar, denn ein Terrorist sei der Geistliche keinesfalls. Kein westlicher Staat, kein westlicher Geheimdienst teile diese Ansicht Ankaras, so Leigh weiter. „Wir wissen, dass die Türkei tatsächlich mit Terror zu kämpfen hat“, doch dabei gehe es in allererster Linie um die PKK und nicht die Gülen-Bewegung.

Echte Sanktionen für die Türkei? Wohl kaum…

Der Türkei kommt unter dieser Regierung zugute, dass das Land stets ein wichtiger strategischer und geopolitischer Partner bleibt. Auch in dem aktuellen Bericht verweist die EU-Kommission darauf, dass die Türkei in der Flüchtlingsangelegenheit, in Sachen Energielieferungen und in Bezug auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine positive Rolle spiele. Zudem sei Ankara in der Getreidekrise als entscheidender Vermittler zwischen UN, Russland und Ukraine aufgetreten. Doch reicht das?

Für einen Beitritt in die EU garantiert nicht. Aber für ein Fortbestehen politischer, gesellschaftlicher sowie menschenrechtlicher Missstände, ohne ernsthafte Sanktionen befürchten zu müssen, wird die geopolitische Karte in der Hand der Türkei wohl doch weiterhin ein gewichtiger Faktor bleiben.

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