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Gesellschaft

Rassismus in der Polizei: Die Mär vom „Einzelfall“

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Lange wurde über eine umfassende Studie zu Rassismus in der Polizei gestritten. Zwei Jahre dauerte die Erhebung. Nun zeigen erste Ergebnisse: Das Problem ist struktureller Art – und muss dringend angegangen werden.

Elf Polizisten, sechs Schüsse und ein toter Junge: Das ist die Bilanz eines fatalen Polizeieinsatzes in Dortmund im vergangenen Sommer. Und es ist leider kein „Einzelfall“, wie immer wieder durch die Behörden nahegelegt wird. Das ist nun auch eines der Zwischenergebnisse der lange umstrittenen Polizeistudie.

Sie wurde bereits 2020 beauftragt – nach langem Streit. Denn erst nach wochenlangen Debatten stimmte der damalige Innenminister Horst Seehofer zu. Der CSU-Politiker störte sich damals am Vorwurf des eigentlich verbotenen, systematischen „Racial Profilings“ bei der deutschen Polizei.

Drittel der Polizist:innen wertet Asylsuchende ab

Für die 2021 gestartete Studie wurden etwa 50.000 Polizist:innen zu ihrer Motivation, ihren Einstellungen und zur Gewalt im Alltag befragt. Die Online-Studie der Deutschen Hochschule für Polizei fand in verschiedenen Bundesländern, bei der Bundespolizei und beim Bundeskriminalamt statt. Die Teilnahme war freiwillig. Sie begann im November 2021 und endete im Oktober 2022.

Neben Überlastungen durch Dienstzeiten und Arbeitskräftemangel stellten die Wissenschaftler:innen „Menschen-feindliche Positionen“ fest. Zusammenfassend heißt es, dass sich diese bei Polizist:innen genauso zeigten wie in der Gesamtbevölkerung. Allerdings seien bei fast einem Drittel der Befragten Tendenzen erkennbar, Asylsuchende abzuwerten.

Zehn Prozent der Befragten sind Muslim-feindlich eingestellt

Knapp zehn Prozent ließen in ihren Antworten Muslim-Feindlichkeit erkennen. Ein geschlossenes, Menschen-feindliches Weltbild sehen die For­sche­r:in­nen allerdings nur bei einer „sehr kleinen Gruppe“ von unter einem Prozent der Befragten. Dennoch kommt der Zwischenbericht der Studie zu einem eindeutigen Ergebnis. 

Es handele sich um „mehr als nur Einzelfälle, bei denen die individuelle Einstellung kaum mit den Leitbildern der Polizei in Einklang zu bringen“ sei. Hinzu kommt: Ein breiter Graubereich von 40 Prozent der Befragten, die sich in Teils-teils-Angaben flüchtete, gibt zumindest ein bedenkliches Bild ab.

Innenministerin räumt Rassismus-Probleme ein

Bereits 2020 kam eine Umfrage der Universität Bochum zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Professoren bekräftigten darin: Diskriminierung bei der Polizei treffe vor allem Menschen, die keine weiße Hautfarbe hätten. Damals wie heute schließen sich die Reihen der Polizei gegen Kritik. Und die Polizeigewerkschaft wehrt sich gegen die Vorwürfe.

„Türken jagen“ – Studie legt Rassismus bei der Polizei offen

Ihr Chef Rainer Wendt bezeichnete die Ergebnisse als „üble Stimmungsmache“. Innenminister Nancy Faeser (SPD) verspricht indes Konsequenzen für rassistisches Vorgehen während der Polizeiarbeit. Damit räumt eine Bundesminister erstmals ein: Rassismus ist in der deutschen Polizei ein größeres Problem, als bislang anerkannt.

Zweite Online-Befragung steht an

Sie plädiert für eine Überprüfung der Aus- und Fortbildung der Beamt:innen. Für das vierte Quartal in diesem Jahr ist eine zweite Online-Befragung geplant. Faeser appellierte an die Verantwortlichen, eine Beteiligung an der Befragung aktiv zu fördern. Zumindest die Aufarbeitung der Rassismus-Problematik scheint voranzukommen.

Dass jüngere Polizeibeamt:innen weniger Diskriminierungstendenzen zeigen, ist indes erfreulich. Politische Bildung scheint in der Polizei-Ausbildung bereits erste Konsequenzen zu haben. Positiv ist aber vor allem eines: Polizeichef:innen und Politiker:innen kommen mit ihrer Mär von der absoluten Ausnahme nicht mehr durch.

Noch einmal ganz deutlich: Es sind keine „Einzelfälle“.

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