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Studie bestätigt: Freitagspredigten in Moscheen fördern friedliches Miteinander

  • Juni 4, 2025
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Studie bestätigt: Freitagspredigten in Moscheen fördern friedliches Miteinander

Eine umfassende Analyse der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat über 1.000 Freitagspredigten in Moscheen der Islamverbände DITIB, IGMG und VIKZ untersucht – mit einem klaren Ergebnis: Keine Spur von Extremismus, Gewaltverherrlichung oder Demokratiefeindlichkeit. Stattdessen setzen die Predigten auf gesellschaftliche Werte, Bildung und Integration.

Die großen Islamverbände in Deutschland stehen spätestens seit der Arbeitsaufnahme der deutschen Islamkonferenz im Jahr 2006 im Fokus der Öffentlichkeit. Selten wurde ihre Rolle durch Politik und Medien dabei in positiver Weise gewürdigt. Sie würden nur eine Minderheit der deutschen Muslime repräsentieren, seien vom Ausland gesteuert und würden der Integration im Wege stehen. So und ähnlich lauteten die Vorwürfe, die vor allem von „Islamkritikern“ und Politikern im Wahlkampf artikuliert wurden.

Von einem Vorwurf hat sie jedoch jüngst eine Arbeitsgruppe der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) entlastet: Nämlich jenem einer Radikalisierung der Gläubigen durch Hassbotschaften in den Freitagspredigten.

Verbände DITIB, VIKZ und IGMG im Fokus

Das Projekt „Wechselwirkungen“ am Forschungszentrum für Islam und Recht in Europa hatte für eine Studie mehr als 1.000 Freitagspredigten (Khutbas) ausgewertet. Diese wurden aus 50 Moscheegemeinden der drei großen Verbände DITIB, VIKZ und IGMG zusammengetragen. Einige davon reichten bis Mitte der 2000er Jahre zurück. Das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Rauf Ceylan, Prof. Dr. Esra Özyürek führte zudem auch Interviews mit Imamen, Gemeindemitgliedern und Funktionären.

Projektleiter Dr. Jörn Thielmann, ein Islamwissenschaftler der FAU, kommt zu der Einschätzung: Die Freitagspredigten enthalten keine radikalen, demokratiefeindlichen oder gewaltverherrlichenden Aussagen. Sowohl Imame als auch Verbände distanzierten sich von Extremismus und Gewalt. Stattdessen gehe es in den Predigten vor allem um die Lebensführung und um Alltagsthemen.

Häufig werde zu zwischenmenschlichen Beziehungen, Familienleben, Erziehung und Bildung, Tugenden oder Spiritualität gepredigt. In einer Erklärung zu den Ergebnissen der Studie sagt er: „Thematisiert wird beispielsweise, dass es wichtig es ist, seine Kinder auf deren Bildungsweg zu fördern, in der Familie respektvoll miteinander umzugehen, eine gute Nachbarschaft zu pflegen, sich zum Wohl der Gesellschaft einzubringen oder sich für den Umweltschutz und hilfsbedürftige Menschen einzusetzen.“

Predigten häufiger in deutscher Sprache oder zweisprachig

In Einzelfällen sei es auch um gesellschaftliche oder politische Themen gegangen, hieß es weiter. Die Verbände hätten dabei auch kritische Worte gefunden, wenn es um Rassismus, Diskriminierung oder Islamfeindlichkeit gegangen sei. Dabei mahnten sie aber „gleichzeitig zu einer konstruktiven und friedlichen Bewältigung dieser Erfahrungen“, machte Thielmann deutlich. Die Verbände seien dabei eine Kraft der Deeskalation.

Die Predigten betonten gesellschaftliche Werte, wechselseitige Verantwortung, Solidarität, Bildung, den Respekt gegenüber Andersdenkenden und den Einsatz für das Gemeinwohl. Viele Imame ermutigen demnach zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Deutschland und zum Engagement. Um jüngere Generationen zu erreichen und die Integration zu verbessern, gebe es immer häufiger deutschsprachige oder zumindest zweisprachige Predigten.

Die Gemeinden, so die Schlussfolgerung der Projektgruppe, sehen sich selbst als Brückenbauer zwischen muslimischer Community und Mehrheitsgesellschaft. Sie leisteten entsprechend auch einen Beitrag zur Integration und gesellschaftlicher Teilhabe ihrer Mitglieder. Gleichzeitig machten sie deutlich, dass sie sich mehr Anerkennung und weniger Pauschalverdächtigungen in der öffentlichen Debatte wünschten.

DITIB: Spionage und Antisemitismus keine flächendeckenden Phänomene

Vor allem die DITIB und die IGMG stehen in der Öffentlichkeit unter besonderer Beobachtung. Die DITIB untersteht der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet. Diese hat im Laufe ihrer Geschichte regelmäßig die Positionen der türkischen Regierung innerhalb der Diaspora artikuliert. Auch die zunehmend autoritäre Gangart der Regierung Erdoğan ging nicht spurlos an der deutschen Organisation vorbei.

Wie im Fall der Diyanet kam es auch im Umfeld der DITIB in einigen Fällen zu antisemitischen Vorfällen. Medien und Organisationen wie das American Jewish Committee (AJC) hatten diese dokumentiert und thematisiert. Anders als im Fall der Diyanet waren es allerdings nur selten führende Funktionäre der DITIB, die darin involviert waren. Zudem handelte es sich um einzelne Vorfälle. Eine systematische, kontinuierliche und flächendeckende Praxis zeichnete sich nicht ab.

Vor allem in der Zeit nach dem Putschversuch in der Türkei versuchte auch die türkische Regierung, ihren Einfluss auf die DITIB zu verstärken. Diese sollte zum einen dafür Sorge tragen, dass Anhänger der Gülen-Gemeinde in den Moscheen ausgegrenzt würden. Zum anderen sollten Gläubige mutmaßliche Anhänger beschatten, ausspionieren und Berichte über sie an türkische Regierungsstellen oder Geheimdienste richten. Einige Dutzend Imame oder Funktionäre haben sich dafür instrumentalisieren lassen. Die DITIB sprach hingegen von privaten Aktivitäten entsprechender Imame. Als Verband versuchte man sich von Spionageaktivitäten zu distanzieren.

Verfassungsschutz bestätigt tiefgreifenden Wandel der IGMG

Die IGMG war vor allem in den 1990er und 2000er Jahren in vielen deutschen Verfassungsschutzberichten als extremistische Bestrebung gelistet. Ihr wurden vor allem Äußerungen von Funktionären oder in der eigenen Zeitschrift „Perspektif“ vorgeworfen. Dabei habe man unter anderem die deutsche Demokratie herabgewürdigt und antisemitische Verschwörungsideen verbreitet.

Ab Mitte der 2010er Jahre wurde die Einschätzung des Verfassungsschutzes differenzierter. Der Organisation wurde attestiert, sich mittlerweile „überwiegend als rein religiöser Dienstleister“ zu verstehen. Es zeigten sich „anhaltende Bemühungen“ einer Distanzierung von extremistischen Tendenzen. Mittlerweile haben fast alle Bundesländer ihre Beobachtung der IGMG durch den Verfassungsschutz eingestellt. In Ostdeutschland fand diese mangels Strukturen nie statt. Die jüngst veröffentlichte FAU-Studie bestätigt die gewandelte Einschätzung des Inhaltsgeheimdienstes.

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