Todesdrohung gegen Erdoğan? Journalist Fatih Altaylı verhaftet

In der Türkei ist der prominente Journalist Fatih Altaylı verhaftet worden – nach Äußerungen auf YouTube ermittelt die Justiz wegen angeblicher „Bedrohung des Präsidenten“.
In der Türkei ist am Samstagabend der bekannte Journalist Fatih Altaylı festgenommen worden. Wie mehrere türkische Zeitungen berichten, hat ein Haftrichter bereits am Sonntag die Untersuchungshaft über ihn verhängt. Zur Last gelegt wird ihm eine „Bedrohung des Präsidenten“, deren Altaylı sich in einer Veröffentlichung auf seinem YouTube-Kanal schuldig gemacht haben soll.
Die Generalstaatsanwaltschaft Istanbul hatte die Ermittlungen aufgenommen und die Sicherheitsdirektion der Provinz damit beauftragt, den Journalisten in Gewahrsam zu nehmen. Derzeit sitzt er im Justizpalast Çağlayan in Untersuchungshaft. Bei seiner ersten Vernehmung, die zwei Stunden gedauert haben soll, waren einem Bericht der Nachrichtenagentur ANKA zufolge zwei Anwälte anwesend.
Journalist Altaylı analysierte eine Umfrage zu einer möglichen weiteren Erdoğan-Amtszeit
Altaylı bestreitet die gegen ihn gerichteten Vorwürfe und wirft den Strafverfolgungsbehörden vor, seine Worte „verzerrt“ zu haben. In der Sendung analysierte er die Ergebnisse einer Umfrage. Diese beschäftigte sich mit der Frage, ob die Bürgerinnen und Bürger eine Präsidentschaft des Amtsinhabers Recep Tayyip Erdoğan auf Lebenszeit billigen würden.
Erdoğan hat bis dato keine eindeutige Aussage darüber getroffen, ob er nach Ablauf seiner nunmehrigen regulären Amtsperiode bis 2028 eine weitere Kandidatur anstreben würde. Neulich deutete er an, nicht an einer weiteren Amtszeit interessiert zu sein. Es werden jedoch auch immer wieder Gerüchte laut, wonach der Amtsinhaber versuchen könnte, sich über vorgezogene Neuwahlen einen erneuten Antritt zu ermöglichen.
In der Bevölkerung scheint es dafür wenig Rückhalt zu geben. Der Umfrage zufolge, die Altaylı präsentierte, äußerten sich 70 Prozent der Befragten gegen einen Verbleib Erdoğans an der Spitze des Landes über die verfassungsmäßig festgelegte Amtszeitbegrenzung hinaus.
Exkurs in die osmanische Geschichte
Dieser zufolge dürfte der Amtsinhaber 2028 kein weiteres Mal kandidieren. Auch liegt er in hypothetischen Umfragen hinter dem Oberbürgermeister von Ankara, Mansur Yavaş. Dass die Regierung in Ankara die Justiz gegen führende Vertreter der Opposition wie Istanbuls Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu und CHP-Chef Özgür Özel ermitteln lässt, gilt jedoch als Zeichen, dass Erdoğan mir einer Verlängerung seiner Führungsmacht liebäugelt.
Dass eine so große Mehrheit in der Bevölkerung ein solches Ansinnen ablehnt, bezeichnete Altaylı in seinem YouTube-Beitrag als wenig überraschend. Außer einer deutlichen Mehrheit der AKP-Anhänger und eines Teils der MHP-Befürworter würde niemand eine weitere Amtszeit für Erdoğan wünschen. In diesem Zusammenhang nahm der Journalist auf die rebellische Ader der türkischen Nation Bezug und äußerte:
„Sehen Sie sich die Geschichte dieser Nation an. Und damit meine ich nicht die jüngere Geschichte. Das ist eine Nation, die ihre Sultane erwürgt hat, wenn sie ihnen nicht mehr gefallen oder sie sie nicht mehr gewollt haben. Es gab so einige osmanische Sultane, die ermordet wurden oder bei denen man es nach Selbstmord aussehen ließ.“
Altaylı: „Wollte Wunsch der türkischen Bevölkerung nach legitimer Herrschaft unterstreichen“
Tatsächlich gibt es Beispiele unter den osmanischen Sultanen, die eines unnatürlichen Todes starben. Unter anderem wurde der von 1618 bis 1622 regierende junge und ambitionierte Osman II. im Zuge eines Janitscharenaufstandes getötet. Er hatte die Auflösung der Eliteeinheit geplant. Ähnlich erging es Sultan Ibrahim, der von 1640 bis 1648 regierte.
Die Generalstaatsanwaltschaft sieht diesen historischen Exkurs im Kontext mit dem YouTube-Auftritts von Altaylı jedoch offenbar als konkret auf Präsident Erdoğan gemünzte Drohung. Der Journalist erklärte, er habe dies nur als Hinweis darauf verstanden haben wollen, dass die türkische Bevölkerung seit den Tanzimat-Reformen des 19. Jahrhunderts besonderen Wert darauf lege, nicht gegen ihren Willen regiert zu werden.
Der türkische Justizminister betonte am Sonntag, dass die Justiz ihre Arbeit mache und das nicht auf „Anweisung von oben“, sondern ganz unabhängig auf Grundlage eines Anfangsverdachts und eigener Ermittlungen.