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Flucht/Migration

Türkei mauert sich ein: Erdoğan verordnet Mauerbau an der Grenze zu Griechenland

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Symbolfoto: Die Sonne geht über einer drahtbewährten Mauer auf. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
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Die Türkei beginnt mit dem Bau einer neuen Grenzmauer zu Griechenland. Präsident Erdoğan sendet damit ein Signal an die EU – doch wie effektiv ist die Maßnahme? Während Kritiker Symbolpolitik wittern, könnte Ankara eine neue Verhandlungsstrategie verfolgen.

Der Gouverneur der an der griechischen Grenze gelegenen Provinz Edirne, Yunus Sezer, hat in der Vorwoche den Baubeginn für eine zwei Meter hohe Mauer verkündet. Mit dieser will die Türkei dazu beitragen, die 200 Kilometer lange Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland undurchlässiger zu machen. Vorerst soll ein 8,5 Kilometer langes Teilstück entlang des Flusses Maritza (türk. Meriç) errichtet werden.

Erdoğan für neuen Flüchtlingsdeal gesprächsbereit?

Bereits in den vergangenen zehn Jahren hatte die Führung in Ankara die Grenzen zu Syrien und zum Iran durch die Errichtung von Mauern stellenweise verstärkt. Entlang der syrischen Grenze entstand zwischen 2015 und 2018 ein drei Meter hoher Wall auf einer Länge von 826 Kilometern. Entlang der Grenze zum Iran sind 144 von 300 geplanten Kilometern Mauer gebaut. Den Bau der Befestigung mit Blick auf Syrien hatte teilweise die EU im Rahmen des Flüchtlingsabkommens von 2016 mitfinanziert.

Einen Zuschuss an Griechenland zum Bau eines Grenzzauns zur Türkei hatte Brüssel jedoch unter Verweis auf fehlende Haushaltsmittel abgelehnt. Die Errichtung des Teilstücks einer Anlage auf türkischer Seite in Eigenregie wird deshalb als Angebot an die EU wahrgenommen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan könnte auf diese Weise beabsichtigen, sich als wichtiger Partner bei der Eindämmung von Fluchtbewegungen zu inszenieren.

Dass Erdoğan auch anders kann, zeigte die Konfrontation mit Griechenland zu Beginn des Jahres 2020. Damals organisierte die Türkei den Transport mehrerer tausend Schutzsuchender an die Grenze und ermunterte diese, den Übertritt zu versuchen. Damit wollte Erdoğan Druck auf die EU ausüben, Geld für die Errichtung von Wohnungen für syrische Heimkehrer im türkisch kontrollierten Norden des Landes zuzusagen. Der Showdown endete im Zeichen der Corona-Pandemie.

Deutliche Mehrheit versucht, über Ägäis nach Griechenland einzureisen

Nun scheint Erdoğan eine andere Form der Kommunikation mit der EU zu wählen. Er signalisiert mit dem symbolischen Grenzzaun zu Griechenland, dass er die in der Türkei befindlichen Schutzsuchenden nicht mehr als Druckmittel verwenden wolle. Stattdessen strebt er offenbar eine Erweiterung des Flüchtlingsabkommens an.

Ein solcher Schritt wäre in beiderseitigem Interesse: Die EU strebt in zunehmendem Maße nach Abschottung von Fluchtbewegungen. Die Türkei könnte im Gegenzug für ihre Hilfe bei diesem Vorhaben finanzielle und politische Vorteile herausholen. Der im europäischen Exil lebende Ex-Diplomat Ömer Murat äußert gegenüber dem „Tagesspiegel“, die türkische Maßnahme sei „zweifellos […] eine Geste an Europa“.

Wie effektiv diese sein würde, ist ungewiss. Im Vorjahr kamen gerade einmal 8.000 Asylsuchende über die Maritza ins Nachbarland. Der größte Teil der etwa 60.000 aus der Türkei in die EU eingereisten Schutzsuchenden nahm den gefährlichen Seeweg über die Ägäis. Mindestens 17 Menschen kamen allein 2024 dabei ums Leben. Zudem sind Geflüchtete häufig brachialen Pushbacks durch die griechische Küstenwache ausgesetzt.

Schönwetterpolitik gegenüber Merz – ohne sichtbaren Effekt?

Nicht zuletzt gegenüber der künftigen Regierung Merz in Deutschland soll das Angebot des Grenzzauns ein Signal sein, meint Murat. Gouverneur Sezer hegt Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Projekts. Er weist darauf hin, dass es ausgereicht hätte, Patrouillen und elektronische Grenzüberwachung auszubauen. Auch das Flüchtlingshilfswerk der UNO (UNHCR) bestätigt, dass die Zahl der Übertritte über Grenzflüsse nach Griechenland signifikant gesunken sei.

Die Opposition in der Türkei, die sich im Wahlkampf mit flüchtlingsfeindlicher Rhetorik hervorgetan hatte, übt Kritik an dem Vorhaben. Sie bemängelt jedoch nicht die Ineffizienz und Symbolhaftigkeit der Maßnahme. Die CHP erklärt, die Regierung solle Flüchtlinge an der Ein- und nicht an der Ausreise hindern. Aus Ankara hingegen heißt es, man habe an der Grenze zu Griechenland allein im Vorjahr rund 2.300 Straftäter gefasst.

Damit meint man im Innenministerium nicht nur 887 mutmaßliche Schleuser und 765 sonstige Kriminelle. In 652 Fällen habe man auch Mitglieder von „Terrororganisationen“ aufgegriffen. Dazu zählen in der Türkei auch schlicht Andersdenkende – wie jene aus dem Hizmet-Netzwerk des 2024 verstorbenen Fethullah Gülen.