Gesellschaft
Türkei-Wahlen: So haben Deutsch-Türken abgestimmt
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP) hat bei den wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Deutschland wieder eine deutliche Mehrheit erzielt. Auf den Amtsinhaber entfielen in den ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland knapp zwei Drittel der Stimmen, wie aus Zahlen staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montag hervorging. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) kam dagegen nur auf knapp 33 Prozent.
Erdoğan schnitt in Deutschland somit wieder viel besser ab als bei der Wahl insgesamt: Nach Angaben der Wahlbehörde YSK entfielen auf den Amtsinhaber 49,51 Prozent der Stimmen. Kılıçdaroğlu kam auf 44,88 Prozent. Weil beide Kandidaten damit in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl die erforderliche absolute Mehrheit verfehlten, wird es am 28. Mai in die Stichwahl gehen.
Deutsch-Türken stimmen ähnlich wie 2018 ab
Damit zeichnet sich in Deutschland ein ähnliches Bild wie bei der Wahl 2018 ab. Damals war Erdoğan bei den Deutsch-Türken auf 64,8 – und insgesamt auf 52,6 Prozent gekommen. Türken mit Wohnsitz außerhalb der Türkei können seit 2014 auch im Ausland wählen.
Dass der beliebte Präsident in Deutschland so gut abschneidet, hat laut Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen auch historische Gründe. Die Gastarbeitermigration habe in erster Linie Menschen aus dem anatolischen Kernland mit einer religiös-konservativen Einstellung nach Deutschland gebracht, sagte er. In anderen Ländern wie in den USA und Kanada kommt er nicht annähernd auf so viele Stimmen.
Erdoğan als Kümmerer der Deutsch-Türken
Gökay Sofuoğlu, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sagte, Erdoğan sei auch so erfolgreich, weil er in den vergangenen Jahren hier eine gute Struktur aufgebaut habe. „Er hat sich als Kümmerer der Türken in Deutschland dargestellt“, erklärte er. Menschen lebten seit Jahrzehnten in diesem Land, dürften aber zum Beispiel auf kommunaler Ebene nicht wählen und seien ständig mit Alltagsrassismus konfrontiert.
Ulusoy ergänzte, vor allem bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern gebe es eine Art Protesthaltung aufgrund von Diskriminierungserfahrungen. Erdoğan gebe sich als „starker Mann, der ihnen das Gefühl gibt, Teil einer großen Nation zu sein, ihnen Identität und Zugehörigkeit verspricht und diese auch zementiert – anders als womöglich die deutsche Politik.“ Er betonte, dass die Ergebnisse die Haltung der wahlberechtigten Deutsch-Türken widerspiegelten und nicht die aller türkischstämmigen Menschen.
Dağdelen gibt Bundesregierung Mitschuld
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen meinte, dass die anhaltend hohe Zustimmung für Erdoğan ein Mahnzeichen für eine 180-Grad-Wende in der deutschen Türkeipolitik sein müsse. „Es rächt sich, dass die Bundesregierung wie ihre Vorgänger über Jahre das Erdoğan-Netzwerk in Deutschland agieren ließ und in Teilen sogar mit öffentlichen Geldern förderte“, sagte sie. Viele AKP- und MHP-Anhänger werfen Dağdelen eine zu große Nähe zur terroristischen PKK vor.
Laut dem türkischstämmigen Journalisten Hüseyin Topel hat die Regierungspartei AKP besten Zugang zu türkischen Erdoğan-Unterstützern in Deutschland. „Die sind in diesen Haushalten drin. Das heißt, die gehen in die Moscheen, die nehmen die Menschen mit“, so Topel. Dazu käme der Einfluss der türkischen Pro-Erdoğan-Medien, die diese Haushalte prägten. Auch in sozialen Medien ist die AKP demnach unter anderem mit Pro-Erdoğan-Influencern gut vertreten.
Deutsch-Türken strömen in der Wahlnacht auf die Straßen
Obwohl das Ergebnis noch nicht feststand und eine Stichwahl die realistischste Option war, feierten hunderte Anhänger des amtierenden Präsidenten in der Nacht zu Montag bereits auf deutschen Straßen. In Duisburg-Marxloh etwa ertönten Hupkonzerte.
Hier einige Eindrücke:
Auf dem ersten Foto zeigen einige abgebildete Personen den Wolfsgruß der Grauen Wölfe, die politisch der MHP zuzuordnen sind. Die MHP ist der Bündnispartner der AKP.
Mit Material von dpa