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Politik

Wende in Vilnius: Türkei will Schweden-Beitritt nicht länger blockieren

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08.11.2022, Ankara: Recep Tayyip Erdoğan (r.), Präsident der Türkei, und Ulf Kristersson, Ministerpräsident von Schweden, reichen sich nach einer gemeinsamen Pressekonferenz im Präsidentenpalast die Hände. Foto: Burhan Özbilici/AP/dpa
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Lange Zeit hat die Türkei den Schweden den Gang in die NATO verwehrt, jetzt gibt Präsident Erdoğan seine Blockadehaltung auf. Trotz des jüngsten Ärgers um eine erneute Koranverbrennung in Stockholm und einer überraschend erhobenen Forderung in letzter Minute.

Die Türkei will den NATO-Beitritt von Schweden nach Angaben von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht länger blockieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan habe bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen, sagte Stoltenberg am Montagabend auf einer Pressekonferenz in Vilnius. Zuvor hatten sich Erdoğan, Kristersson und Stoltenberg in der litauischen Hauptstadt einen Tag vor dem zweitägigen NATO-Gipfel beraten.

Der Frage, wann der NATO-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten. Kristersson sprach von einem „guten Tag für Schweden“, Stoltenberg gar von einem „historischen Tag“.

Auch Ungarn will grünes Licht geben

Schweden und Finnland hatten im Mai 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Finnland ist bereits Anfang April zum 31. Mitglied des Bündnisses geworden. Schweden fehlt dagegen nach wie vor die Zustimmung der Türkei und Ungarns, was in erster Linie an der türkischen Blockadehaltung gelegen hat. Ungarn hatte zuletzt erneut beteuert, sich der Aufnahme Schwedens nicht in den Weg stellen zu wollen, sollte die Türkei grünes Licht geben. Es handle sich nur um eine „technische Frage“.

Die türkische Führung blockiert den schwedischen Beitritt seit gut einem Jahr. Sie verweist darauf, dass das skandinavische Land nicht ausreichend gegen „Terrororganisationen“ vorgehe – dabei geht es ihr vor allem um die PKK. Dass Ende Juni erstmals seit Monaten wieder ein Koran bei einer Demonstration in Stockholm angezündet worden war, belastete das Verhältnis zu Ankara zuletzt zusätzlich. Zuvor hatte Stockholm die Anti-Terror-Gesetze im Land überarbeitet.

EU-Beitritt nur eine Nebelkerze?

Vor seinem Abflug nach Vilnius machte der 69-Jährige seine Zustimmung dann überraschend von einer eine Belebung der Beitrittsgespräche der Türkei zur EU abhängig. „Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben“, erklärte er in Istanbul an die EU-Länder gerichtet.

Stoltenberg hatte am Freitag bei der Ankündigung des Treffens mit Erdoğan und Kristersson deutlich gemacht, dass er auf ein Ende der türkischen Blockade setze. Alle weiteren Verzögerungen würden nur von der PKK und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin willkommen geheißen, sagte er. Am Montag blieb er vor dem Treffen trotz Erdoğans Vorstoß weiter optimistisch und sprach von einer möglichen „positiven Entscheidung“.

In Stockholm hatte man lange Zeit das Ziel ausgegeben, die türkische Blockade bis zum Gipfel in Vilnius lösen zu wollen. Wann genau es nach Erdoğans positivem Signal nun so weit ist, ist noch offen. Die nächste Sitzung des türkischen Parlaments ist für heute angesetzt, womit es zumindest theoretisch schon seine Zustimmung geben könnte, während der zweitägige Gipfel in Vilnius läuft. Wenn dann auch das ungarische Parlament zügig ratifiziert, dann könnte Schweden zeitnah offiziell 32. Mitglied der NATO werden.

dpa/dtj