Menschenrechte
Appell an Biden: Erdoğan zu Einhaltung der Menschenrechte aufrufen
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Ein parteiübergreifendes Bündnis von 142 Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses hat einen Brief an Präsident Joe Biden geschickt, in dem sie ihn auffordern, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan dazu zu drängen, seine länderübergreifende Repressionspolitik zu beenden.
„Wir fordern Präsident Biden auf, die Menschenrechte in den Vordergrund zu stellen und die türkische Regierung dazu zu drängen, ihre Kampagne der länderübergreifenden Repression zu beenden, politische Gefangene bedingungslos freizulassen und die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen“, schrieben die Abgeordneten. „Ihr Eingreifen ist entscheidend, um die Werte der Demokratie und der Menschenrechte auf globaler Ebene zu verteidigen.“ Dies berichtete das Stockholm Center for Freedom unter Berufung auf eine Pressemitteilung auf der offiziellen Website des Kongressabgeordneten Chris Smith, einem Republikaner aus New Jersey.
Der Brief beschreibt alarmierende Fälle von Menschenrechtsverletzungen durch die Türkei, darunter die zwangsweise Überstellung von über 100 türkischen Staatsbürgern seit dem Putschversuch im Jahr 2016. Diese Personen seien Folter, der Verweigerung grundlegender Rechte und erzwungenen Geständnissen ausgesetzt gewesen.
Verfolgung der Gülen-Bewegung seit 2013
„Personen, die mit der Gülen-Bewegung in Verbindung stehen, einer zivilgesellschaftlichen Organisation, die interreligiösen Dialog und Bildung fördert, gehörten zu den Misshandelten“, heißt es weiter in dem Schreiben. Die Bewegung ist in den USA allein wegen der Anwesenheit Fethullah Gülens präsent und betreibt umfangreiche Lobbyarbeit, unter anderem durch den früheren NBA-Spieler Enes Kanter Freedom.
Präsident Erdoğan hat Anhänger der Gülen-Bewegung spätestens seit den Korruptionsermittlungen im Jahr 2013 ins Visier genommen. Damals gerieten der damalige Premierminister Erdoğan, seine Familienmitglieder sowie führende Minister der Regierung ins Visier der Ermittler. Erdoğan macht dafür die Gülen-Bewegung verantwortlich. Sie habe gezielt die Behörden des Landes infiltriert und handle wie ein Parallelstaat, so der Vorwurf.
Besonders hervorgehobener Fall: Enes Kanter Freedom
Die Abgeordneten hoben besonders den Fall von Enes Kanter Freedom hervor, der seit dem Ende seiner NBA-Karriere in erster Linie als Menschenrechtsaktivist auftritt, hervor. Die Erdoğan-Regierung hat in der Vergangenheit Freedom offen verfolgt, indem sie seine Familie in der Türkei schikanierte und ein Kopfgeld auf ihn ansetzte.
„Dies unterstreicht erneut die Notwendigkeit eines dringenden Eingreifens, um die Nichteinhaltung des Völkerrechts durch die Türkei und deren systematische Menschenrechtsverletzungen anzugehen“, so die Abgeordneten.
Zusammenarbeit mit autoritären Regimen und systematische Menschenrechtsverletzungen
Unter Berufung auf die Länderberichte des US-Außenministeriums zu den Menschenrechtspraktiken in der Türkei für das Jahr 2022 betonte der Brief die Zusammenarbeit der türkischen Regierung mit anderen autoritären Regimen unter anderem in Afrika, um Personen zwangsweise zu überstellen und Entführungen sowie Verschleppungen durchzuführen. Opfer erleiden häufig Folter, Verletzungen ihrer Rechte und erzwungene Geständnisse, bevor sie in die Türkei gebracht werden. Diese Handlungen werden von regierungsnahen Medien oftmals gefördert und verherrlicht.
Konkrete Beispiele für Entführungen und Folter
Der Brief nennt auch konkrete Beispiele für diese Entführungen. Der Lehrer Selahattin Gülen wurde aus Kenia entführt; Geschäftsmann Koray Vural aus Tadschikistan. Orhan İnandi, Vorsitzender eines Schulnetzwerks, wurde aus Kirgisistan entführt und im Gefängnis gefoltert. Türkische Medien zeigten seinen gebrochenen Arm.
Erdoğans langer Arm reicht ins Ausland
Laut einem Bericht des Stockholm Center for Freedom (SCF) aus dem Jahr 2023 über länderübergreifende Repression hat Erdoğans langer Arm seit dem Putschversuch Zehntausende türkische Bürger im Ausland erreicht. Von Spionage durch diplomatische Vertretungen und regierungsnahe Diaspora-Organisationen bis hin zur Verweigerung konsularischer Dienstleistungen und offenen Einschüchterungs- und illegalen Verschleppungstaktiken habe die türkische Regierung eine Vielzahl von Maßnahmen gegen ihre Kritiker im Ausland eingesetzt.
Ob der Brief tatsächlich etwas bringen wird, ist zweifelhaft. Präsident Biden, der in den USA schon wegen seines Alters und Gesundheitszustands nicht unumstritten ist, bereitet sich derzeit auf eine weitere Kandidatur vor. Zudem machte Erdoğan in der Vergangenheit des Öfteren klar, was er von solchen Initiativen hält. Diplomatisch ausgedrückt: nicht viel.
Die beiden Staatsmänner dürften sich kommende Woche auf dem NATO-Gipfel begegnen, der in Washington stattfinden wird.