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Panorama

Erdbeben in der Türkei und Syrien: Erdoğan ruft Ausnahmezustand aus

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Das Ausmaß der verheerenden Erdbeben in der Türkei wird einen Tag danach langsam greifbar. Im Chaos der Trümmer und Opfer mehren sich Stimmen, die das Krisenmanagement der Regierung kritisieren. 

Für die Türkei sind Erdbeben leider nichts Neues. Die Bevölkerung ist schweres Leid gewöhnt. Denn unter dem Land stoßen die eurasische und die afrikanische Platte aufeinander – mit verheerenden Folgen. Der nordanatolische Graben reißt immer wieder auf, die Erde bebt.

Das Ausmaß der gestern entstandenen Schäden sprengt indes den Rahmen des Üblichen. Es handelt sich schließlich um das zweitstärkste Erdbeben in der Türkei in den letzten 100 Jahren. Die betroffene Region ist enorm groß, die Verwüstungen sind gewaltig. Zehntausende Familien sind von Tod, Trauer und dem Verlust ihres Zuhauses betroffen. Und die Lage bleibt dramatisch. Mehr als 5.000 Menschen sind in der Türkei und Syrien insgesamt gestorben – viele werden noch vermisst.

In der Krise ist der Staat gefragt

Was jetzt zählt, sind gute Organisation und Schnelligkeit. Jede Minute zählt. In der Krise ist der Staat gefragt. Suchtrupps, schweres Räumungsgerät, warme Kleidung, Notunterkünfte: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und sein Krisenstab müssen nun Vieles gleichzeitig in die Wege leiden. Folgerichtig wurde in den zehn betroffenen Provinzen am Dienstagmittag der Ausnahmezustand ausgerufen, er soll zunächst für die nächsten drei Monate gelten.

In manchen Städten gibt es kein Wasser, anderswo ist die Stromversorgung zusammengebrochen. Den Tankstellen fehlt das Benzin. Und es gibt wenig Brot. Gerade jetzt im Winter, wo Schnee, eiskalter Regen und Sturm die Situation erschweren, ist schnelle Unterstützung gefragt. Doch die Hilfe kommt nur schwer voran.

Es mehren sich Stimmen, die den Präsidenten und die AKP-Regierung kritisieren. Oppositionelle, die bereits in die Erdbebenregion gereist sind, um zu helfen, sprechen sogar von einem völligen Versagen der staatlichen Katastrophenhilfe. Muharrem İnce, Vorsitzender der Memleket-Partei, veröffentlichte via Twitter ein Video von aufgebrachten Anwohnern in Kahramanmaraş, wo die Erde zweimal innerhalb von zehn Stunden stark bebte.

„Der Staat ist nicht hier“

In einem weiteren Video läuft er durch die Straßen der Stadt und ist angesichts der Zerstörung fassungslos. İnce kommentiert seine Beobachtungen: „Ich bin auf der Trabzon-Meile in Kahramanmaras, alles ist zerstört. Die Soldaten sind nicht da, die Polizei ist nicht da, es gibt keine warme Suppe, keine Decken, der Staat ist nicht hier.“ Auch Selahattin Demirtaş, regte am Montagabend an, umgehend das Militär einzusetzen. „Morgen könnte es zu spät sein“, so der inhaftierte HDP-Politiker.

Auch Barış Atay von der türkischen Arbeiterpartei (Türkiye İşçi Partisi) zeichnet ein ähnliches Bild: „Ich bin in Iskenderun. Hier herrscht eine schreckliche Situation vor. Weder der Katastrophenschutz, noch die Rettungskräfte, niemand ist hier. Leider versuchen die Bürger hier selbst ihre Angehörigen zu befreien, oder eben ihre leblosen Körper zu bergen.“

https://twitter.com/yirmiucderece/status/1622837875208339456?s=20

Für Erdoğan kommt das Beben zur Unzeit – oder doch nicht? Zu Beginn des Wahlkampfes muss er sich als Krisenmanager beweisen. Seine Performance in der Krise wird maßgeblich über den Wahlausgang entscheiden. Schafft er es, eine überzeugende Katastrophenhilfe auf die Beine zu stellen, könnte er damit seine Wiederwahl sichern. Wenn nicht, droht ihm die Abwahl.

Krisen entscheiden politische Schicksale

Teile der betroffenen Region im Südosten der Türkei sind geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen, ethnischen Konflikten und Flüchtlingsbewegungen. Versinkt sie nun im Chaos, schwächt das Erdoğans Position als starker Alleinherrscher in Ankara. Davon könnte die Opposition im Wahljahr profitieren.

Wahlen und Naturkatastrophen: Das dürfte Erdoğan bekannt vorkommen. 2002, als die AKP an die Macht kam, profitierte er auch von der Schwäche der Vorgängerregierung. Sie hatte es beim ähnlich verheerenden Erdbeben 1999 nicht geschafft, den Betroffenen nachhaltig zu helfen. In der Krise entscheiden sich politische Schicksale.

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