Connect with us

Politik

Großer Schulterschluss in der Türkei: Opposition will Erdoğan zu Fall bringen

Published

on

Spread the love

Während die AKP mit dem Wahlkampf begonnen hat, formiert sich eine Mega-Opposition in der Türkei. An einem denkwürdigen Tag schlossen sich in der Türkei sechs wichtige Parteien zusammen. Gelingt es dem Parteienverbund, den mächtigen Gegner in Bedrängnis zu bringen?

Auf 48 Seiten suchen die sechs türkischen Parteien einen inhaltlichen sowie politischen Schulterschluss. Die Vereinbarung wurde am Montag im Bilkent Hotel in Ankara rund 700 Gästen aus der Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft vorgestellt. Die Union gilt zumindest bis zu den Wahlen im kommenden Jahr. Ihr ambitioniertes Ziel: die Regierung aus AKP und MHP zu Fall bringen.

Dazu passt auch der ausgewählte Slogan: „Für die Türkei von Morgen“. Mit dem gewählten Datum – gestern vor 25 Jahren gab es einen Staatsstreich in der Türkei gegen die gewählte Regierung von Necmettin Erbakan – und einem gezielten Ausschluss hat dieses neue Parteienbündnis aber auch eine alte Türkei wiederbelebt.

Denn nach dem 28. Februar 1997 änderte sich das zivile Leben in der Türkei drastisch. Vor allem trafen die Einschnitte durch das Militär die muslimisch-konservative Mehrheit des Landes. Sinnbildlich für diesen Prozess steht die Verdammung und Verbannung des Kopftuchs aus dem öffentlichen Raum.

AKP wirklich die Befreierin des Kopftuchs?

Die AKP beansprucht für sich, dieser Diskriminierung ein Ende gesetzt zu haben. Bis heute ist das ein starkes Faustpfand. Doch das neue Oppositionsbündnis will scheinbar gerade mit dieser Assoziation brechen. In ihren Augen setzt Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan stattdessen andere Teile der Bevölkerung unter Druck.

Darunter auch zehntausende Frauen mit Kopftuch. Denn seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 geht die türkische Regierung gegen Anhängerinnen von Fethullah Gülen vor und verhaftet auch Frauen mit Kopftüchern. Die Regierung beschuldigt Gülen und seine Bewegung, hinter dem versuchten Staatsstreich zu stecken, legte dafür aber bisher keine belastbaren Nachweise vor. Gülen selbst schließt nicht aus, dass möglicherweise einige Mitglieder seiner Bewegung involviert waren, bestreitet aber, den Coup befohlen zu haben. Der Zorn des türkischen Staates trifft darüber hinaus auch andere Frauen, darunter Gewerkschafterinnen, Kurdinnen und Alevitinnen, denen Verbindungen zu Terrororganisationen vorgeworfen werden.

Mega-Opposition ohne HDP?

Auch die Tatsache, dass die pro-kurdische HDP als eine der größten Oppositionsparteien des Landes keinen Platz am Sechser-Tisch bekam, zeigt, dass auch dieses Bündnis eher rückwärtsgewandt ist.

Auch ihr Wahlversprechen Nummer eins, eine Rückkehr zum parlamentarischen System und die Ablösung des jetzigen Präsidialsystems, stellt keinen wirklichen Fortschritt dar. Dennoch ist es im Vergleich zu Erdoğans Wunschsystem die bessere Wahl für eine möglichst pluralistische und konfliktfreie Zukunft des Landes.

Mit dieser Aufstellung und Ausrichtung kann die Mega-Opposition „Für die Türkei von Morgen“ noch kein Land ohne Terror und einen nicht enden wollenden Krieg versprechen. Ob und wie die HDP, die sich zugleich eindeutig und nachhaltig von der PKK emanzipieren muss, im Laufe des Prozesses und im eventuellen Fall einer Abwahl der AKP-MHP-Koalition mitreden darf, bleibt abzuwarten.

Das „verstärkte parlamentarische System“

Der stellvertretende Vorsitzende der DEVA-Partei Mustafa Yeneroğlu ist einer der Architekten des neuen Konstrukts, das als „verstärktes parlamentarisches System“ vermarktet wird und sich dafür einsetzen will – ein Seitenhieb gegen das aktuell bestehende Präsidialsystem. Es soll wieder mehr Teilhabe, Freiheit und Vielfalt in der Türkei ermöglichen. Auch die fast vollständig außer Kraft gesetzte Gewaltenteilung soll dadurch wiederhergestellt werden.

Die gesetzgeberischen Verfahren würden in einem verstärkten parlamentarischen System transparenter und somit demokratischer ablaufen, so der Plan. Dabei werde es weiterhin eine starke Regierung ermöglichen, diese mithilfe stärkerer Beobachtungsprozesse aber enger an das Parlament koppeln. Laut einem Sprecher der Gelecek-Partei würden im Falle eines Systemwechsels fortan Richter und Staatsanwaltschaft voneinander getrennt werden.

Eine große Kritik am derzeitigen Modell ist, dass diese Organe nicht nur zu nah aneinander gerückt sind, sondern auch durch den Präsidenten vollständig kontrolliert werden.

Continue Reading