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Kultur/Religion

Ramadan-Fasten trotz Krankheit – wie passt das zusammen?

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Musliminnen und Muslime empfangen den Ramadan oftmals mit großer Freude. Obwohl das Fasten allgemein nur für gesunde Muslime verpflichtend ist, kommt es nicht selten vor, dass auch kranke Gläubige fasten (wollen) – auch wenn das unter Umständen dem Gesundheitszustand weiter schadet. Warum ist der Wunsch der Betroffenen so groß, trotz Krankheit zu fasten? Welche Risiken medizinischer Art gibt es dabei? Dies ist ein Appell mehr auf die Gesundheit zu achten, kommentiert unser Autor.

Für Musliminnen und Muslime hat kurz nach dem Frühlingsstart eine segensreiche Zeit begonnen – der Fastenmonat Ramadan. Für Gläubige ist dies eine willkommene und ersehnte Gelegenheit, um zu entschleunigen und Allah näher zu kommen. Das gelingt ihnen insbesondere durch das Fasten, also dem Verzicht auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang. Neben der körperlichen Enthaltsamkeit spielen aber auch Aspekte wie Geldspenden und der freundliche Umgang mit den Mitmenschen eine wichtige Rolle.

Für wen ist das Fasten im Ramadan Pflicht?

Das Fasten ist eine der fünf Säulen im Islam. Damit eine Person aus islamischer Sicht verpflichtet ist zu fasten, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört in erster Linie – so banal es klingt – dass die Person muslimisch sein muss. Weiterhin muss sie islamrechtlich betrachtet rechtsfähig (arab. mukallaf), frei von Hinderungsgründen (z. B. Schwangerschaft, Stillzeit) und ansässig (kein/e Reisende/r) sein. Außerdem ist erforderlich, dass die Person körperlich in der Lage ist zu fasten und damit nicht krank ist. Erst wenn diese fünf Anforderungen erfüllt sind, wird das Fasten religiös betrachtet zur Pflicht. Es liegt daher auf der Hand, dass die Fasten-Pflicht durch Parameter wie Krankheit und Reisetätigkeit jeden Tag aufs Neue auf den Prüfstand gestellt wird.

Nachfasten vs. das Nichts-verpassen-wollen

Akut oder chronisch Kranke sind von der Fasten-Pflicht befreit [Koran 2:185] und können die nicht gefasteten Tage außerhalb des Ramadans nachholen [Koran 2:184]. Genau hierin dürfte die Krux liegen: Kranke müssen nicht fasten, machen dies häufig aber trotzdem, weil sie im Ramadan „nichts verpassen“ wollen. Denn es gibt Überlieferungen, die besagen, dass die Gottesdienste und Gebete, die im Ramadan getätigt werden, mit einem Vielfachen des „Normalen“ belohnt werden. Man könnte es mit dem Punktesammeln im Einkaufsalltag vergleichen: Menschen, die darauf Wert legen, dürften eher die Möglichkeit, 10-fach Punkte zu sammeln bevorzugen, statt mit weniger Punkten den Einkauf abzuschließen. Denn mehr Punkte bedeuten beispielsweise einen höheren Betrag bei Gutscheinen oder einen schnelleren Zugang zu Prämien.

Was in diesem Zusammenhang gerne vergessen wird, ist das Gebot der körperlichen Unversehrtheit im Islam. So werden der menschliche Körper und die Gesundheit als Leihgabe von Allah bzw. als anvertrautes Gut (türk. emanet; arab. amana) verstanden, die es zu pflegen und wahren sowie nicht zu vernachlässigen gilt. Der sorgsame Umgang mit dem Körper ist daher von großer Bedeutung. Falls das Fasten gesundheitsschädigend sein sollte, so ist es verboten. Berechtigterweise stellt sich hier die Frage nach dem Maßstab: Wer darf es beurteilen? Die Person selbst (z. B. bei Schmerzen, Verschlimmerung der Krankheit, Verzögerung der Heilung) oder eine vertrauenswürdige Ärztin bzw. ein vertrauenswürdiger Arzt durch ihre/seine medizinische Expertise?

Arzneimittel im Ramadan: Was ist erlaubt, was nicht?

Medizin: Unter Umständen können Kranke trotzdem fasten

Krankheiten können akut auftreten (z. B. Erkältung, bakterielle Infektion), aber auch von chronischer Natur sein (z. B. Epilepsie, Diabetes mellitus, Bluthochdruck) und eine dauerhafte Medikamenteneinnahme erforderlich machen. Je nach Erkrankung kann der Leidensdruck variieren und die Lebensqualität kann in unterschiedlichem Maße eingeschränkt sein. So dürfte sich ein Mensch mit einer starken Erkältung nicht unbedingt fit genug fühlen zu fasten, während chronisch Kranke mit Bluthochdruck, die entsprechende Tabletten einnehmen, häufig bei Kräften sind und man ihnen ihre Krankheit gar nicht ansieht. Wie auch immer: Eine regelmäßige Einnahme der Arzneimittel ist sehr wichtig und durch die unterschiedlichen Esszeiten im Ramadan kann der Therapieplan nicht immer eingehalten werden. Hier ist es unter Umständen möglich, dass Medikamente umgestellt und alternative Präparate eingenommen sowie die Einnahmezeitpunkte angepasst werden können.

Welche Folgen kann das Fasten für Kranke haben?

Das Fasten hat vielfältige Einflüsse auf den Körper, unter anderem auf Hormone, Schlafdauer, Cholesterinspiegel und Insulinsensitivität. So kann sich die Genesung verzögern oder es können Schmerzen auftreten, weil die Schmerztablette nicht zum erforderlichen Zeitpunkt eingenommen werden kann. Bei Personen mit Diabetes mellitus können zudem Über- und Unterzuckerung, Dehydration und akute metabolische Komplikationen auftreten, wenn die medikamentöse Therapie nicht konsequent durchgeführt wird. Die ärztlich verordneten Arzneimittel sollten daher während des Ramadans niemals eigenständig abgesetzt werden, um die Gesundheit nicht zu gefährden.

Arzneimitteleinnahme während des Ramadans – das sagt Diyanet

Die überwiegende Mehrheit der muslimischen Türken ist sunnitisch und folgt der hanafitischen Rechtsschule. Deren Interessen vertritt in der Türkei das „Präsidium für Religionsangelegenheiten“, türkisch „Diyanet“. Der Ableger in Deutschland ist die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), die zudem die größte sunnitisch-islamische Organisation hierzulande ist. Diyanet beantwortet auf der eigenen Website die häufig gestellten Fragen zum Fasten und geht dabei auch auf die Arzneimitteleinnahme ein. Demnach sind Asthmasprays, Augen-, Nasen- und Ohrentropfen, Sublingualtabletten zur Vermeidung/Akuttherapie eines Herzinfarkts, Zäpfchen, medizinisch notwendige Impfungen, Insulinspritzen (abhängig von der Art der Anwendung) sowie Cremes, Salben und wirkstoffhaltige Pflaster erlaubt.

Der Religionsanstalt zufolge sind diese Darreichungsformen während des Fastens gestattet, da sie zum einen den Magen nicht oder nicht in nennenswerter Menge erreichen und auch nicht zum Zwecke der Nahrungsaufnahme dienen. Injektionen hingegen, die auf eine Stärkung des Körpers hinzielen, beispielsweise Vitamin-Spritzen, seien nicht erlaubt und machten das Fasten ungültig.

Fazit: Krankheit und Fasten schließen sich nicht grundlegend aus

Kranke müssen zwar nicht fasten, doch Krankheit und Fasten schließen sich nicht grundlegend aus. Abhängig von der Erkrankung und der Medikamenteneinnahme kann es medizinisch möglich sein zu fasten. Dabei sollte die Gesundheit stets im Fokus behalten werden, so wie es auch in der Religion gefordert wird. Im Austausch mit dem behandelnden Arzt bzw. die behandelnde Ärztin sollte – insbesondere bei chronischen Erkrankungen – abgewogen werden, ob ein Fasten grundsätzlich möglich ist oder nicht. Bei der fastenkonformen Einnahme von Medikamenten kann auch die Apotheke vor Ort behilflich sein. Ein Absetzen von Medikamenten und Anpassen der Dosierungen auf eigene Faust sollte unterlassen werden, da dies lebensgefährlich werden kann – wo wir dann wieder beim Thema emanet wären.

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