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Politik

Spitzenpolitiker gratulieren: Erdoğan erneut Präsident der Türkei

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Erdoğan hat es wieder geschafft. Nach über zwei Jahrzehnten an der Macht haben sich die türkischen Wähler ein weiteres Mal für den Amtsinhaber entschieden. Seine Anhänger jubeln, seine Gegner sind schockiert, denken aber nicht an einen Rücktritt.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bleibt weitere fünf Jahre im Amt. Der 69-Jährige entschied am Sonntag die Stichwahl gegen Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu (74) für sich. Erdoğan erhielt 52,14 Prozent der Stimmen, Kılıçdaroğlu 47,86 Prozent, wie die Wahlbehörde YSK nach Auszählung von 99,43 Prozent mitteilte. Erdoğan sei zum 13. Präsidenten der Türkei gewählt worden, sagte der Chef der Behörde Ahmet Yener. Mit dem amtlichen Endergebnis wird am Montag gerechnet.

Bereits am frühen Abend füllten Anhänger des Präsidenten Straßen und Plätze in türkischen Städten, schwenkten Fahnen und feierten ausgiebig den Wahlsieg, zu dem ihm auch internationale Spitzenpolitiker wie US-Präsident Joe Biden oder der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, gratulierten.

Erdoğan führt die Türkei nun seit über 20 Jahren. Am Sonntagabend erklärte er in Anlehnung an ein bekanntes Lied, er werde „bis ans Grab“ bei seinen Anhängern bleiben. Seit Einführung eines Präsidialsystems 2018 hat er so viel Macht wie nie zuvor. Befürchtet wird deshalb, dass er nun noch autoritärer regiert, was seine Anhänger allerdings nicht weiter zu stören scheint. In Ankara erklärte er, dass heute nicht er, sondern die gesamte Türkei gewonnen habe und wählte durchaus versöhnliche Worte, ohne dabei allerdings ganz auf Sticheleien zu verzichten.

+++ Live-Blog zur Türkei-Stichwahl – Wer wird neuer Präsident? +++

Sieg in der zweiten Runde

Erdoğan ging als Favorit in die zweite Runde, nachdem er vor zwei Wochen die absolute Mehrheit knapp verpasst hatte. Die Wahl galt dennoch als der härteste Test in Erdoğans politischer Karriere bisher. Das Land steckt in einer Wirtschaftskrise, die Währung hat massive Verluste verzeichnet, die Inflation im Land liegt bei rund 44 Prozent. Der Süden und Südosten des Landes kämpft zudem mit den verheerenden Folgen der Erdbeben im Februar.

Dass eine Mehrheit der Krise zum Trotz für Erdoğan stimmte, liegt Beobachtern zufolge auch an der Kontrolle der Regierung über die Medien. In einem Interview kurz vor der Wahl etwa erklärte Erdoğan, wirtschaftliche Probleme seien eine Mär der Opposition. Diese Aussage wurde nicht hinterfragt. Den Herausforderer Kılıçdaroğlu versuchte er mit dem Vorwurf der Verbindungen zu Terroristen auszustechen, dabei war ihm jedes Mittel recht. Die Wahl fand unter großer Anspannung im Land statt. Während der Abstimmung selbst wurde immer wieder von Angriffen auf Wahlbeobachter berichtet.

Auch Wahlgeschenke in den Wochen vor der Wahl dürften einen Einfluss gehabt haben. „Die Regierung hat Geld ausgegeben als gäbe es kein Morgen. Den Leuten geht es dadurch deutlich besser als noch im letzten Jahr“, sagte der politische Analyst Salim Çevik der Deutschen Presse-Agentur.

Weitere Repressalien befürchtet

Im Wahlkampf ging Erdoğan die Opposition sowie lesbische, schwule und queere Menschen scharf an. Bei seiner ersten Rede nach der Wahl war auch das eines seiner ersten Themen. Damit dürfte er den Ton für seine erneute Amtszeit setzen.

Den Sieg hat er auch neuen islamistischen Partnern zu verdanken. Die islamischen Hardliner-Parteien werden die künftige Agenda mitprägen. Erdoğan regiert ohnehin mit harter Hand. Die Justiz gilt als stark politisiert, etliche Regierungskritiker sitzen im Gefängnis. In der ersten Wahlrunde hatte Erdoğans Bündnis bereits die Mehrheit im Parlament gewonnen. Die zum wiederholten Male enttäuschende Opposition wird ihm auch dort nicht gefährlich werden können.

Opposition verliert schon wieder: Wann gibt es Konsequenzen?

Çevik gibt auch der Opposition selbst die Schuld an ihrer Niederlage: Kılıçdaroğlu sei nicht früh genug aufgestellt worden. Er habe sich zudem gegen die Propaganda der Regierung nicht energisch genug zur Wehr gesetzt.

Der Herausforderer galt vor der ersten Abstimmung am 14. Mai noch als leichter Favorit. Er war Kandidat einer historisch einmaligen Parteien-Allianz und sicherte sich die Unterstützung der prokurdischen HDP. Kılıçdaroğlu versprach eine Demokratisierung des Landes. Nach der Niederlage in der ersten Runde buhlte er allerdings mit deutlich verschärfter Flüchtlingsrhetorik um Stimmen aus dem ultranationalistischen Lager.

Den Abstand zu Erdoğan, der mit der Unterstützung des Drittplatzierten Rechtsaußenkandidaten Sinan Oğan antrat, konnte er nur gering verringern. Am Wahlabend signalisierte er, weitermachen zu wollen. Aufkommende Rücktrittsgerüchte thematisierte er nicht. Es bleibt fraglich, wie die Opposition mit einem einfachen „Weiter so“ etwas an den bestehenden Machtverhältnissen ändern will.

Versprechen an die Wähler und Herausforderungen

Was ist nun für die kommenden Monate zu erwarten? Erdoğan will auch weiter nicht von seiner umstrittenen und wenig erfolgreichen Niedrigzinspolitik abkehren, die laut Experten mitverantwortlich für die Währungskrise ist. Die Inflation will er auf eine einstellige Zahl reduzieren. Zudem verspricht er Großinvestitionen in Rüstungs- und Infrastrukturprojekte.

Zentrales Thema im Wahlkampf war auch die Flüchtlingspolitik. Erdoğans AKP hat ihre Rhetorik unter dem Druck einer zunehmend feindlichen Stimmung im Land verschärft, verspricht Rückführungen und will dazu in Verhandlungen mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad treten. Den Menschen im Erdbebengebiet verspricht er, innerhalb eines Jahres neue Häuser für sie gebaut zu haben. Ihnen dankte er explizit für die Unterstützung bei der Wahl. Dort hatte er im Vergleich zu früheren Wahlen kaum Stimmen verloren – im Gegenteil.

Internationale Bedeutung der Wiederwahl

Und international? Die Türkei ist NATO-Mitglied, pflegt enge Beziehungen zu Russland ebenso zur Ukraine, ist Akteurin im syrischen Bürgerkrieg und in vielerlei Hinsicht mit der EU verbunden – kurzum: Wer die Türkei regiert, mischt unmittelbar in der Weltpolitik mit. Erdoğan gilt auf internationaler Bühne, vor allem im Westen, als schwieriger und unzuverlässiger Partner, der häufig opportunistisch und pragmatisch agiert. Seine Führungsqualitäten sind allerdings ebenso unbestritten und sorgen für eine große Wählerbasis, auf die er sich stets verlassen kann, wie sich nun zum wiederholten Male gezeigt hat.

Die Beziehungen zu den USA sind seit Jahren von Konflikten geprägt, den Wahlkampf hat Erdoğan mit anti-westlichen Parolen geführt. Die Beziehungen zur EU sind unter anderem wegen zahlreicher Menschenrechtsverletzungen und Spannungen beim Thema Migration belastet. Eine neue Präsidentschaft Erdoğans verspricht keine Kehrtwende, auch wenn die Erdbebenkatastrophe zuletzt zu einer leichten Entspannung führte.

dpa/dtj

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