Politik
Türkei lieferte schon: Ukraine will auch von Deutschland Waffen
Erst Baerbock, dann Scholz: Die Absage der Bundesregierung an Waffen für die Ukraine war deutlich. Erledigt ist das Thema damit aber noch nicht. Der Nato-Partner liefert schon länger in die Ukraine, Deutschland zögert.
Die Ukraine lässt auch nach dem klaren Nein der Bundesregierung zu Waffenlieferungen nicht locker. Sie nennt jetzt sogar konkrete Waffensysteme, die sie sich von Deutschland zur Verteidigung gegen einen möglichen russischen Überfall erhofft: Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme. Waffenlieferungen seien nötig, um die Kosten für einen Einmarsch in die Höhe zu treiben und den russischen Präsidenten Wladimir Putin „von seinem Wahnsinnskurs“ abzubringen, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, der Deutschen Presse-Agentur.
In der Ampel-Koalition gibt es erste Zweifel an der harten Haltung der Regierung. „Wir sollten über die Lieferung von Defensivwaffen an die Ukraine nachdenken“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der „Bild“. Diese müssten aber genau definiert sein. Der dpa sagte Strack-Zimmermann, dass es zunächst um Unterstützung bei der Abwehr von Angriffen gehen müsse.
Türkei und andere Nato-Staaten liefern
Russland forderte unterdessen alle Nato-Staaten, die die Ukraine bereits mit Waffen versorgen, zur Einstellung ihrer Lieferungen auf. Dazu zählen vor allem die USA, Großbritannien und die Türkei. Die Türkei liefert nicht nur Kriegsdrohnen, sondern hilft auch bei der Aufrüstung der Kriegsschiffe mit.
Die Ukraine fordert seit Jahren Waffen von Deutschland, um sich gegen einen möglichen russischen Angriff verteidigen zu können – bisher ohne Erfolg. Bundeskanzler Olaf Scholz erteilte Kiew am Dienstag eine eindeutige Absage: „Die deutsche Bundesregierung verfolgt seit vielen Jahren eine gleichgerichtete Strategie in dieser Frage. Und dazu gehört auch, dass wir keine letalen Waffen exportieren“, sagte der SPD-Politiker. Daran halte auch die neue Regierung fest. Auch Baerbock hatte die Forderung zuvor bei ihrem Besuch in Kiew zurückgewiesen.
Botschafter ruft zur Verantwortung auf
Die Grünen-Politikerin begründete das unter anderem mit der deutschen Geschichte, was in der Ukraine Irritationen auslöst. „Dass man dabei in Berlin auch die Frage der historischen Verantwortung als Argument für die Ablehnung militärischer Hilfe benutzt, ist erstaunlich“, sagte der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, der Deutschen Presse-Agentur. „Diese Verantwortung sollte gerade dem ukrainischen Volk gelten, das mindestens acht Millionen Menschenleben während der deutschen Nazi-Okkupation der Ukraine verloren hat.“ Es gebe dafür weiterhin „kein Fingerspitzengefühl“ in der deutschen Gesellschaft.
Melnyk sagte, es gehe der Ukraine in erster Linie um deutsche Kriegsschiffe, „die zu den besten der Welt gehören, die wir für die robuste Verteidigung der langen Küste im Schwarzen und Asowschen Meer dringend brauchen“. Außerdem brauche die Ukraine moderne Luftabwehrsysteme.
Nur CDU dafür
Der designierte CDU-Chef Friedrich Merz hatte sich bereits vor Weihnachten offen für Waffenlieferungen gezeigt. Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte sprach sich in der „Bild“ klar dafür aus: „Wenn die Ukraine um Defensivwaffen bittet, um sich eines möglichen russischen Angriffs erwehren zu können, dürfen wir diese Bitte nicht ablehnen.“
Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow sagte der Agentur Interfax zufolge, Russland werde durch Waffenlieferungen in seiner Sicherheit gefährdet. „Die Lage auf dem Gebiet der europäischen Sicherheit ist kritisch, und sie ist so durch die Schuld Washingtons und der Nato, die die Ukraine in erster Linie als ein Druckmittel gegen Russland benutzen.“
Russland ohne Rücksicht
Aus Moskauer Sicht nutzt die Nato die Spannungen um die Ukraine, um ihre Existenz zu rechtfertigen – besonders auch nach dem Rückzug aus Afghanistan. Die USA und die Nato hingegen kritisieren einen Truppenaufmarsch mit rund 100.000 russischen Soldaten an der Grenze zur Ukraine. Der Westen befürchtet, dass es zu einem russischen Einmarsch in die Ukraine kommen könnte. Moskau weist darauf hin, es handele sich um eigene Truppen auf eigenem Staatsgebiet.
Die Verhandlungen westlicher und russischer Spitzendiplomaten zu den Forderungen Moskaus in der vergangenen Woche in Genf, Brüssel und Wien hatten zunächst keine greifbaren Ergebnisse gebracht. US-Außenminister Antony Blinken führte am Mittwoch Gespräche in Kiew. „Es geht um mehr als die Ukraine“, sagte er nach seiner Ankunft in der ukrainischen Hauptstadt.
US-Außenminister unterwegs – auch nach Berlin
Blinken wollte in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seinen Kollegen Dmytro Kuleba treffen. Er reist anschließend nach Berlin zu am Donnerstag geplanten Gesprächen über den Konflikt weiter. An diesem Freitag will Blinken auch den russischen Außenminister Sergej Lawrow zu Gesprächen in Genf treffen.
Scholz rief Russland erneut zur Deeskalation im Ukraine-Konflikt auf. „Die russische Seite weiß um unsere Entschlossenheit. Ich hoffe, ihr ist auch bewusst, dass der Nutzen von Kooperation deutlich höher ist als der Preis weiterer Konfrontation“, sagte der SPD-Politiker bei einer digitalen Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums Davos. Scholz warb gleichzeitig für weitere Gespräche mit Russland. „Nach Jahren wachsender Spannungen ist Schweigen keine vernünftige Option.“
dpa/dtj