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Politik

Wahlergebnisse in der Türkei gefälscht? Vorwürfe werden lauter

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Gab es Manipulationen bei der türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahl 2023? Nach den etwas überraschenden Ergebnissen mehren sich die Vorwürfe. Die Wahlbehörde hat als Reaktion ein öffentlich einsehbares Online-Portal vorerst vom Netz genommen.

Die erste Runde der Präsidentschaftswahl 2023 in der Türkei ist ohne endgültigen Sieger zu Ende gegangen. Anders als von vielen Umfrageinstituten erwartet, hat der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan deutlich mehr Stimmen erhalten als sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu. Der Sieger wird damit bei einer Stichwahl am 28. Mai 2023 ermittelt.

Bei der zeitgleich abgehaltenen Parlamentswahl hingegen haben die Parteien, die sich der Erdoğan-Allianz angeschlossen haben, klar gewonnen. Doch je mehr Stunden vergehen, umso mehr werden die Vorwürfe von Wahlbetrug lauter.

Stimmen von Kılıçdaroğlu Erdoğan zugeschrieben?

Diese besagen größtenteils, dass einige Ergebnisse nicht rechtmäßig ins Portal der Wahlbehörde YSK eingetragen wurden. Die Behörde hat das öffentlich einsehbare Portal unter der Webadresse secim.sonuc.gov.tr bereits vorläufig gesperrt. Es kam vor dem Gebäude der YSK auch zu spontanen Demonstrationen. Dabei wurden mehrere Menschen festgenommen.

Screenshot der Homepage der Wahlbehörde YSK (Stand: 16. Mai 2023, 23.00 Uhr).

Als ein Beispiel für eine Wahlfälschung wird unter anderem die Wahlurne mit der Nummer 1374 im Istanbuler Stadtteil Sultangazi aufgeführt. Laut dem Protokoll zur Stimmauszählung soll Herausforderer Kılıçdaroğlu hier 262 Stimmen erhalten haben.

Die Einträge im System der Wahlkommission.

Der Eintrag der Ergebnisse von Istanbul-Sultangazi, Wahlurne Nr. 1374, im System der Wahlkommission. Quelle: boldmedya.com

Im System der YSK ist dieser Wert allerdings plötzlich auf 76 geschrumpft, wohingegen aus Erdoğans 72 Stimmen 248 wurden.

Das Protokoll zur Stimmauszählung in Istanbul Sultanbeyli Quelle: boldmedya.com

Das Protokoll zur Stimmauszählung in Istanbul-Sultanbeyli Quelle: boldmedya.com

Keine einzige Stimme für Kılıçdaroğlu?

In Şanlıurfa gab es laut dem Portal sogar eine Wahlurne (Nr. 2373), aus der keine einzige Stimme für Kılıçdaroğlu hervorgegangen sein soll. Insgesamt stimmten hier 356 Wahlberechtigte ab. Bedenkt man, dass Wahlhelfer jeder Partei an den Urnen stehen und auch selbst wählen, dann dürfte dieses vermeintliche Ergebnis mehr als überraschend sein.

Protokoll in Şanlıurfa. Hier soll Herausforderer Kılıçdaroğlu keine einzige Stimme erhalten haben.

Protokoll in Şanlıurfa. Hier soll Herausforderer Kılıçdaroğlu keine einzige Stimme erhalten haben. Quelle: boldmedya.com

Auch bei den Parlamentswahlen soll es ähnliche Vorfälle gegeben haben. Die Stimmen der Grünen Linkspartei (YSP) sollen beispielsweise teils anderen Parteien zuordnet worden sein. Die Partei vermutet, dass die meisten Stimmen der MHP zugeschrieben worden sein könnten.

Betrugsvorwürfe auch bei Parlamentswahlen

Diese hatte überraschend gute Ergebnisse erzielt, die in den Umfragen nicht sichtbar waren. In einer Erklärung hat die prokurdische Oppositionspartei YSP mehrere Fallbeispiele offengelegt, in denen ihre Stimmen fälschlicherweise der MHP übertragen worden sein sollen. Die YSP hatte am Dienstag Einspruch erhoben. Mehr als 2.000 Stimmen seien in ihren Hochburgen fälschlicherweise dem Regierungsbündnis zugeschrieben worden, so die Partei.

In einer Reihe von Tweets des inhaftierten Ex-HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş hieß es, dass die regierende AKP schon seit Jahren dieselbe Taktik bei den Wahlen verfolge. „Wenn von jeder der 20.000 Wahlurnen 150 Stimmen gestohlen würden, wäre man bei drei Millionen Stimmen. Und das wäre ausreichend, um die Wahlergebnisse entscheidend zu verändern“, so Demirtaş.

Beobachter widersprechen Manipulationsvorwürfen

Allerdings ist die wichtigste Frage, wie wichtig und wahlentscheidend diese Stimmen sind. Mehmet Rüştü Tiryaki von der YSP erklärte am Dienstag, dass die Gesamtzahl der falschen Einträge in der Tat nicht so hoch aufalle. Alican Uludağ, Journalist in der türkischen Redaktion der Deutschen Welle, versuchte mit dem Missverständnis aufzuräumen und lieferte auf Twitter einen Erklärungsansatz, wie diese Fehler bei den Einträgen zustande gekommen seien.

Zusammenfassend sagt Uludağ, dass das System der CHP versagt habe, weil viele CHP-Beobachtende falsche Einträge vorgenommen hätten. Es gebe also keinen Betrug oder keine Wahlmanipulation, wie vorerst angenommen.

CHP will Vorwürfen nachgehen

Deshalb habe auch der Oppositionsführer auf Sendern wie Tele1, die ihre Zahlen von der CHP bezogen, lange Zeit vorne gelegen. Später hatten sich die Zahlen zugunsten des amtierenden Präsidenten gewandelt. Allerdings: Internationale Wahlbeobachter bemängelten einen unfairen Wahlkampf und mangelnde Transparenz bei der Abstimmung.

Die CHP will dennoch allen Vorwürfen nachgehen. Man habe Einspruch bei der Wahlbehörde erhoben, sagte der stellvertretende Vorsitzende der größten Oppositionspartei, Muharrem Erkek, am Mittwoch: „Wir gehen jeder Stimme nach, auch wenn sie das Gesamtergebnis nicht ändern.“

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