Connect with us

Politik

Warum Erdoğan zwischen Israel und der Hamas vermittelt

Published

on

Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei, begrüßt seine Anhänger gern mit vier ausgestreckten Fingern, dem Gruß der ägyptischen Muslimbruderschaft. Foto: Nedim Enginsoy/AP/dpa
Spread the love

Erdoğan zwischen den Fronten: Der türkische Staatschef geriert sich im Konflikt zwischen Israel und der Hamas als Friedensvermittler. Dabei galt er jahrzehntelang als Unterstützer der radikal-islamistischen Hamas. Jüngst bemühte er sich um gute Beziehungen zu Israel – und steckt nun in einem Dilemma.

Vier ausgestreckte Finger und ein angewinkelter Daumen: Der Gruß der ägyptischen Muslimbrüder ist ein, wenn nicht das Erkennungszeichen Recep Tayyip Erdoğans. Wann immer sich der türkische Präsident seinen Anhängern zeigt, reckt er vier Finger in die Höhe – und zeigt damit Solidarität mit jener Bewegung, aus der auch die Hamas im Gazastreifen stammt.

Erdoğan vollzieht schwierigen Balanceakt

Das ist kein Zufall. Jahrzehntelang machte Erdoğan keinen Hehl aus seinen Sympathien für radikal-islamistische Gruppierungen. In der Türkei leben Tausende Mitglieder ausländischer islamistischer Bewegungen im Exil. So residieren auch zahlreiche Muslimbrüder aus Ägypten und Palästina dort. Bei nicht wenigen von ihnen gab der Präsident grünes Licht für eine Einbürgerung.

Im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern vermeidet er nun aber ein klares Bekenntnis für eine Seite und ruft zur Mäßigung auf. Sogar als Vermittler zur Befreiung der von der Hamas entführten Geiseln bringt er sich ins Spiel. Ein schwieriger Balanceakt, hatte der türkische Machthaber die Hamas doch als „Befreiungsbewegung“ bezeichnet. Israel hatte er wiederholt attackiert und das Land als „Terrorstaat“ geächtet.

Türkei und Israel setzen auf Zusammenarbeit

Doch die Zeiten sind vorbei. Seit Anfang 2022 ist Erdoğan um Annäherung an Israel bemüht. Zwischen den einst engen Bündnispartnern Türkei und Israel war es 2010 zum Zerwürfnis gekommen. Seit der Gaza-Krise 2018, die rund um die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem eskaliert war, zogen die beiden Länder ihre Botschafter ab. Nun setzen beide Staaten wieder auf Zusammenarbeit. Und wie immer, geht es dabei hauptsächlich um Geld.

Scholz und Erdoğan telefonieren – Ankara verhandelt über Freilassung von Hamas-Geiseln

Denn Erdoğan will von den israelischen Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer profitieren. Der Plan: Eine 1.900 Kilometer lange Pipeline – Arbeitstitel: EastMed (zu deutsch: Ost- bzw. Östliches Mittelmeer) – würde Gas von Israel über Zypern nach Griechenland und damit in die Europäische Union leiten. Die Türkei würde am Gas mitverdienen und wäre Herr über die europäische Gasversorgung.

Erdoğan erfindet sich als Friedensvermittler neu

Der langjährige Politiker steckt nun in einem Dilemma. Einerseits fühlt er eine traditionelle Nähe zur Hamas und zur Muslimbruderschaft. Andererseits muss er sich als Partner Israels beweisen, um der heimischen, schwächelnden Wirtschaft Auftrieb zu geben. Zu wichtig wären potenzielle Einnahmen aus dem Gasgeschäft und weitere wirtschaftliche Partnerschaft mit Jerusalem.

Es geht ums Geld: Israel und Türkei setzen auf enge Zusammenarbeit

Als Friedensvermittler erfindet sich der türkische Machthaber indes nicht erst seit den verheerenden Angriffen der Hamas neu. Bereits im Russland-Ukraine-Konflikt und beim Angriff Aserbaidschans auf die völkerrechtlich umstrittene armenische Enklave Bergkarabach trat er als Conferencier auf.

Wie so häufig geht es Erdoğan dabei um Macht und Einfluss in der Region. Vorerst stehen aber wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt seines Wirkens. Dafür lässt er auch langjährige Partner wie die Hamas in Gaza hängen – trotz gemeinsamer Überzeugungen.