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Politik

Türkei-Wahlen: Die sehr lange Wahlnacht und ihre Folgen

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Streit, Vorwürfe, Nervosität: Als sich Erdoğan um zwei Uhr nachts siegessicher seinen Anhängern zeigt, liegt ein nervenaufreibender Wahltag hinter ihnen. Die Opposition ist geschockt. Im In- wie im Ausland fragen sich Viele: Was ist da eigentlich passiert?

Von Sultan-Dämmerung, einer klaren Niederlage und einem Aufbruch in eine demokratische Zukunft war vor der Wahl zu lesen. Alles sprach gegen ihn. Doch am Ende jubelt nur ein Mann: Recep Tayyip Erdoğan. Spät in der Nacht, kurz nach zwei Uhr morgens, zeigte er sich seinen Anhängern.

Vom Balkon der AKP-Parteizentrale in Ankara richtete er sich an sein Volk. Und der türkische Präsident versprach: „Wir werden gewinnen.“ Tatsächlich hatte kurz vor den Wahen kaum jemand außerhalb des Erdoğan-Lagers daran geglaubt. Zu eindeutig erschienen die Wahlumfragen, die ausnahmslos einen Sieg des oppositionellen Spitzenkandidaten Kemal Kılıçdaroğlu vorhersagten.

Nervenkrieg um die Zahlen

Noch am Wahlsonntag zeigte sich die Opposition siegessicher. Und Erdoğan schien nervös zu sein. Am Vormittag wählte er in Istanbul, kündigte an, von dort aus den Wahlsonntag zu verfolgen, flog dann aber doch nach Ankara. Der starke Mann vom Bosporus wirkte aufgekratzt – und reagierte angriffslustig.

Als gerade verschiedenste Zahlen kursierten und die Auszählung auf Hochtouren lief, warf er der Opposition „Raub des nationalen Willens“ vor. Erdoğan reagierte damit auf Kılıçdaroğlu, der von eine schwierigen Auszählung in AKP-Hochburgen berichtete. Da war der Nervenkrieg um die Zahlen bereits in vollem Gange. Er sollte noch lange anhalten.

Ergebnis für Opposition ein Schock

Am Morgen danach herrscht nun vielerorts Ernüchterung. Zwar ist das Ergebnis auch für Erdoğan ein Rückschlag. Seit 2003 hatte er jede landesweite Wahl gewonnen. Die Aura des Unbesiegbaren schwindet. Für die Opposition ist das Wahlergebnis allerdings ein echter Schock.

Kılıçdaroğlu zeigte sich dennoch kämpferisch: „Erdoğan hat trotz seiner Diffamierungen und Beleidigungen nicht das Ergebnis erreicht, das er sich erwartet hatte“, sagte er. Die Ernüchterung war aber auch ihm anzumerken. Und so stehen Viele im In- wie im Ausland am Morgen nach der Wahl vor einer Frage: Wie konnte das nur passieren?

Stichwahl gab es noch nie

Antworten sind rar, Vorwürfe der Wahlmanipulation kaum zu vernehmen. Ersten Einschätzungen der Wahlbehörde und einiger Wahlbeobachter zufolge lief die Wahl ohne größere Beeinträchtigungen ab. Und so finden sich alle Beteiligten in einer völlig neuen Situation wieder. Eine Stichwahl gab es noch nie.

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Was bleibt vom Wahlsonntag? Streitende Politiker und ein zutiefst gespaltenes Land. Denn die Ergebnisse der türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zeigen vor allem eines: Trotz – oder gerade wegen – Wirtschaftskrise und Erdbeben-Katastrophe sind die ideologischen Gräben in der türkischen Gesellschaft so tief wie nie.

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