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Geschichte

Warum die Gewalt auf Zypern eskaliert – und was die Türkei damit zu tun hat

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Türkische Kunstflugzeuge fliegen während einer Militärparade zum 48. Jahrestag des türkischen Einmarsches in Zypern vor einer riesigen türkischen Flagge mit der Aufschrift "Wie glücklich ist derjenige, der sagt, ich bin Türke" auf dem Berg Pentadahtilos. Zypern wurde 1974 in einen griechisch-zyprischen Süden und einen türkisch-zyprischen Norden geteilt, als die Türkei als Reaktion auf einen Putsch der Befürworter einer Union mit Griechenland und zum Schutz der türkischsprachigen Bevölkerung intervenierte. Foto: Petros Karadjias/AP/dpa
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In einem kleinen Ort auf Zypern prügeln türkisch-zyprische Polizisten auf slowakische und britische UN-Friedenssoldaten ein. Vordergründig eskalierte der Streit um einen geplanten Versorgungsweg für türkische Bewohner. Doch dahinter schwelt ein jahrzehntealter Konflikt, der Ängste schürt.

Eine Straße im Nichts. Bulldozer planieren einen schmalen Weg zwischen verdorrten Feldern und steinigen Hängen. Plötzlich tauchen Soldaten auf, sie blockieren die Baumaschinen. Die Bauarbeiter protestieren. Polizisten kommen von der anderen Seite der Baustelle dazu und wenig später eskaliert es. Die Polizisten prügeln einige der Soldaten krankenhausreif. Bulldozer schieben die weißen UN-Fahrzeuge der Soldaten aus dem Weg.

So oder so ähnlich brach ein jahrzehnteralter Konflikt auf Zypern aus. Die Folge: In den vergangenen Tagen kam es zu den größten Spannungen seit Jahren. Das Straßenbauprojekt in der Pufferzone zwischen dem griechischen und türkischen Zypern sollte einen Versorgungsweg für die türkischen Bewohner des Dorfes Pile, (auf griechisch: Pyla) schaffen. Es ist eines von vier ethnisch gemischten Dörfern, die in der UN-kontrollierten Pufferzone liegen.

Prügel in der Pufferzone

Die Mittelmeerinsel ist seit 1974 in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden geteilt. Damals hatte die türkische Armee nach einem Militärputsch der griechischen Zyprer den Nordteil der Insel besetzt. Die seitdem bestehende Türkische Republik Nordzypern wird international nur von der Türkei anerkannt. Die Pufferzone zwischen den beiden Teilen wird von UN-Soldaten überwacht.

Nordzypern-Präsident: „Die Türkei wird sich niemals zurückziehen“

Warum es Prügel in der Pufferzone gab, ist nun Teil von Untersuchungen. Bislang ist klar: Die türkisch-zyprischen Behörden wollen die Straße bauen, um den Türken von Pile den Zugang zu Schulen und Krankenhäuser im türkischen Inselteil und zur Gemeinde Yigitler (griechisch: Arsos) zu erleichtern. Bislang nehmen sie tagtäglich einen stundenlangen Umweg in Kauf. Die UN-Soldaten wollten das verhindern, weil sie per Mandat verpflichtet sind, den Status quo im Niemandsland zu erhalten.

Patt im Niemandsland

Die Blauhelm-Soldaten der UN, die seit mehr als einem halben Jahrhundert auf der Insel für Frieden sorgen, stehen nun in der Kritik. Ersin Tatar, Präsident der sogenannten Türkischen Republik Nordzypern, warf ihnen vor, ein „humanitäres Projekt“ verhindern zu wollen. Er kündigte an, dass die Straße trotzdem gebaut werde. Die UN-Friedenstruppe entgegnete wenig später, gegen weitere Bauarbeiten einschreiten zu wollen.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der sich wiederholt um eine Lösung der Zypern-Frage bemühte, zeigte sich besorgt. Er forderte die türkischen Zyprer auf, die vom UN-Sicherheitsrat entsandten Blauhelm-Soldaten und ihre Mission zu respektieren. Auch die USA, Großbritannien und Frankreich forderten die türkisch-zypriotischen Behörden auf, den Straßenbau einzustellen.

Erdoğan wettert gegen UN-Soldaten

Dass sich mittlerweile auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan einschaltete und Partei für seine Landsleute ergriff, überrascht nicht. Er sagte: Es sei „weder legal noch menschlich“, türkische Zyprer „daran zu hindern, in ihre Heimat gelangen zu können“. Bei dem Streit hätten UNO-Soldaten „ihrer Unparteilichkeit und ihrem bereits beschädigten Ruf weiteren Schaden zugefügt“.

Türkei und Zypern: Streit um den Gasschatz

Dass ein Streit um eine kleine Straße die heftigste Spannung seit Jahren auf der Insel auslösen kann, zeigt indes: Das Patt im Niemandsland ist hochexplosiv. Der Vorfall schürt Ängste vor einem Jahrzehnte alten Konflikt, der auf der kleinen Insel trotz relativer Ruhe im Verborgenen schwelt.