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Politik

„Der türkische Botschafter wird nicht in einer Schlange mit Nazis stehen“

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Der Präsident des OLG München betont, dass er den türkischen Botschafter persönlich in Empfang nehmen wird. Auch ist er sich sicher, dass türkische Journalisten im Gerichtssaal Platz finden. In der Sache jedoch bleibt er seiner harten Linie treu.

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„Der türkische Botschafter wird nicht in einer Schlange mit Nazis stehen“
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Am 17. April 2013 wird die Hauptverhandlung gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte eröffnet werden. Der Präsident des OLG München, Dr. Karl Huber (Foto), stand dem DTJ für ein Interview zu den im Vorfeld aufgetretenen Unwägbarkeiten zur Verfügung.

Herr Dr. Huber, können Sie uns bitte das OLG München kurz vorstellen?

Das OLG München ist das zweitgrößte Oberlandesgericht in Deutschland. Es ist ein Gericht, das überwiegend als Berufungsinstanz in Zivil- und Strafsachen tätig ist. Das ist auch im konkreten Fall, wenn bei Staatschutzsachen erste Instanz vom Generalbundesanwalt zum OLG angeklagt wird.

Das Strafverfahren gegen die Hauptverdächtige in der NSU-Mordserie und gegen einige Mitangeklagte wird vor dem OLG München stattfinden. Wie bewerten Sie dieses Verfahren?

Das ist ein herausragendes Verfahren, weil die zehn Morde und sonstigen Straftaten (Sprengstoffanschläge, Banküberfälle etc.) ganz grausame und schlimme Taten waren. Deshalb wird dies auch vom Generalbundesanwalt als gravierendes Terrorismusverfahren gehandelt. Besonderheit bei diesem Verfahren ist, dass zwei Täter tot sind und damit nicht auf der Anklagebank sitzen, stattdessen fünf Angeklagte, davon eine mögliche Mittäterin und vier mögliche Beitragstäter.

Was für eine historische Bedeutung hat dieses Verfahren in der deutschen Justizgeschichte?

Das ist ein Verfahren, das in der deutschen Justizgeschichte neben vielen anderen Verfahren eine herausragende Rolle spielt.

Der 6. Strafsenat unter Manfred Götzl wird die Verhandlungen leiten. Können Sie bitte ihn und jene weiteren 4 Kolleginnen und Kollegen vorstellen, welche die Verhandlungen leiten werden?

Herr Götzl ist ein sehr erfahrener Strafrichter, der bereits über Jahre hinweg als Vorsitzender des Schwurgerichts Mordfälle aufgearbeitet hat. Die anderen Beisitzer sind erfahrene Strafrichter, die zum Teil aus dem Schwurgericht und zum Teil aus den Strafgerichten kommen.

Warum wurde für diese Verhandlung Richter Götzl ausgewählt? Er steht ja vielfach in der Kritik, weil ihm fragwürdige Urteile in Fällen vorgeworfen wurden, in denen es auch um Zivilcourage ging.

Im Hinblick für das Verfahren ist aufgrund der Geschäftsverteilung des Gerichts Herr Götzl zuständig. Ich kann mich als Präsident des Gerichtes über Entscheidungen von Richtern nicht äußern.

Im Vorfeld des Verfahrens ist auch die Kritik lauter geworden mit Blick auf Probleme bezüglich der Teilnehmer. Wie bewerten Sie das?

Das bewerten wir sehr ernst. Die Kritik ist durchaus berechtigt. Wir müssen nun versuchen, diese schwierige Konstellation aus verschiedenen Gründen zu lösen.

Der türkische Botschafter hat immer noch keinen festen Platz im Saal. Wird es so bleiben?

Das Problem ist, dass auf Grund des Öffentlichkeitsprinzips die Hauptverhandlung grundsätzlich für jedermann zugänglich ist, mit einer Ausnahme, nämlich dass für Medienvertreter Plätze reserviert werden können, weil Medienvertreter die Öffentlichkeit darstellen. Das Gericht hat im Rahmen des ihm gesetzlich zukommenden Ermessensspielraumes unabhängig entschieden, dass außer für Medienvertreter keine anderen Reservierungen gemacht werden.

Es wird nun scharf kritisiert, dass der türkische Botschafter möglicherweise zusammen mit Neonazis in einer Schlange auf den Einlass in den Saal warten muss.

Das wird nicht der Fall sein. Das ist definitiv nicht der Fall. Wenn der türkische Botschafter am 17. April zu Besuch kommen wird, dann werde ich ihn persönlich empfangen und werde ihm die Situation vor Ort zeigen und eben das ganze Umfeld schildern.

Werden Sie ihn auch persönlich empfangen, wenn er andere Verhandlungen beobachten will?

Ja selbstverständlich. Für mich ist es angesichts des Besuchs des Botschafters eine Selbstverständlichkeit, dass ich ihn betreue.

Nun bekommen auch türkische Journalisten keinen Platz im Saal, obwohl türkischstämmige Bürger am meisten von den Verbrechen betroffen waren.

Zunächst muss man festhalten, dass türkische Journalisten selbstverständlich die Möglichkeit haben, an der Verhandlung teilzunehmen. Das Problem, das gerade diskutiert wird, ist, dass die Anzahl der reservierten Plätze für Journalisten auf 50 beschränkt ist. Und das Auswahlverfahren hat das Gericht in richterlicher Unabhängigkeit entschieden. Dass in diesem Verfahren leider türkische Journalisten nicht unter den 50 Journalisten mit fester Reservierung sind, bedauere ich außerordentlich. Aber ich bin sicher, dass türkische Journalisten an diesem Verfahren teilnehmen werden.

Wie wird dies möglich sein?

Das kann dadurch geschehen, dass manche deutsche Medien auf ihre Plätze verzichten. Die frei werdenden Plätze werden jeden Tag mit den Nachrückern aufgefüllt, sodass die anwesenden Journalisten – ich hoffe sehr, dass es türkische Journalisten sind – sofort in den Saal kommen können. Einen festen reservierten Platz werden türkische Journalisten infolge der Beendigung des Akkreditierungsverfahrens nach jetzigem Stand leider nicht haben. Aber ich bin mir sicher, türkische Journalisten werden teilnehmen können.

Viele Bürger behaupten, all diese Entwicklungen würden den Eindruck hinterlassen, dass Türken – mit Ausnahme der Angehörigen der Opfer – im Gerichtsaal unerwünscht sind. Ist diese Kritik berechtigt?

Diese Kritik ist nicht berechtigt, es ist eher das Gegenteil der Fall. Es wird so sein, dass im Gerichtsaal seitens der Nebenkläger überwiegend türkische Bürger, unsere Mitbürger, sein werden. Selbstverständlich können türkische Mitbürger auch im Zuschauerraum Platz finden, sie müssen nur rechtzeitig vor Ort sein.

Wie würden Sie sich persönlich fühlen, wenn solche Gräueltaten in anderen Ländern gegen Deutsche verübt (was wir auf das Schärfste ablehnen würden) und deutsche Diplomaten und Journalisten im Gerichtsaal keinen Platz bekommen würden?

Ich kann dazu nichts sagen. Ich habe mich damit nicht auseinandergesetzt. Ich kann sehr gut verstehen, dass das Thema in der Türkei sehr kritisch beobachtet wird. Ich habe großes Verständnis dafür.

Nach Bekanntwerden der NSU-Morde wurde oft geschrieben, dass das Vertrauen von Migranten gegenüber deutschen Behörden erschüttert ist. Wie kann man das Vertrauen der Bürger trotz all dieser Geschehnisse wiedergewinnen?

Es ist schwer, es durch ein Strafverfahren wiederherzustellen, weil es im Strafverfahren darum geht, ob die fünf Angeklagten, Frau Zschäpe und weitere vier Beschuldigte, mit hinreichender Sicherheit die ihnen zur Last gelegten Straftaten begangen haben und ob sie deswegen verurteilt werden können. Das ist Ziel des Strafverfahrens. Für das Vertrauen gegenüber dem Staat sind andere Dinge wesentlich wichtiger, dieses herzustellen und zu erhalten ist eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Welche Auswirkungen können all diese Entwicklungen auf die deutsch-türkischen Beziehungen haben?

Ich gehe davon aus, dass es keine gravierenden negativen Auswirkungen geben wird, weil die deutsch-türkischen Beziehungen traditionell gut sind. Ich bin ein Freund der Türkei und ich habe immer wieder Kontakt zum türkischen Generalkonsulat.

Welche Funktion haben Sie innerhalb des OLG bezüglich der NSU-Prozesse?

Als Gerichtspräsident bin ich dafür zuständig, dass im äußeren Umfeld des Gerichts die Organisation korrekt vonstattengeht und vor allem die Sicherheit garantiert wird. Die Verhandlung wird von den zuständigen Richtern unter Vorsitz von Herrn Götzl geführt. Auf sie habe ich keinen Einfluss.

Ist eine Zusammenarbeit mit türkischen und griechischen Behörden in Anbetracht der NSU-Prozesse geplant?

Ich würde mich über die Kontakte mit türkischen Gerichten sehr freuen. Ich habe in meiner früheren Tätigkeit als Generalstaatsanwalt den Generalstaatsanwalt in Istanbul besucht. Für eine Zusammenarbeit sind wir offen, auch mit den griechischen Behörden.

Wie viel Sicherheitspersonal wird während der Verhandlungen den Saal und OLG schützen?

Wir sind seit Wochen in Gesprächen bezüglich der Sicherheit im OLG. Dabei ist Sicherheit ein ganz wichtiger Faktor und zwar die Sicherheit aller Beteiligten, sowohl im Gerichtssaal als auch um das Gebäude herum. Wir führen intensive Gespräche mit der Münchener Polizei. Ich habe mir vom Landeskriminalamt eine entsprechende Gefährdungsanalyse für die Richter geben lassen. Das ist ein ganz wichtiges Thema für mich. Wir werden die Sicherheit garantieren. Die Zahl des Sicherheitspersonals wird dem Andrang angepasst werden.

Erwarten Sie Angriffe und Sabotage seitens Neonazis? Was werden Sie dagegen tun?

Es gibt bisher keine konkreten Anhaltspunkte. Aber ich bin mir dessen bewusst, dass es eine abstrakte Gefährdung gibt. Es ist auch klar, dass der Rechtsextremismus durch dieses Verfahren nicht beendet ist. Er ist nach wie vor vorhanden.

Journalisten und Bürger, darunter auch Neonazis, werden sich den gleichen Saal teilen. Es können sich etwa zwischen Neonazis und Journalisten Spannungen ergeben. Wie wollen Sie Journalisten vor Tumulten schützen?

Den Zugang zum Zuschauerraum kann ich nicht steuern. Jedermann darf teilnehmen oder zuschauen. Auch wer am Ende im Saal sitzen wird, wird nach dem Andrang der Bevölkerung und der Rechtzeitigkeit des Eintreffens bestimmt. Im Gerichtsgebäude werden selbstverständlich wesentliche Ausschreitungen unterbunden. Im Saal wird auch Polizei tätig sein, dadurch kann im Fall von Ausschreitungen sofort eingegriffen werden.