Politik
G20 fordern mehr „humanitäre Hilfe“ von Israel – Hisbollah deutet Verhandlungen an
Angesichts der riesigen Not der Menschen im Gazastreifen fordern die G20-Staaten Israel auf, die humanitäre Hilfe dringend auszuweiten und den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken. In ihrer gemeinsamen Abschlusserklärung zeigte sich die „Gruppe der 20“ führenden Wirtschaftsmächte in Rio de Janeiro über die humanitäre Lage im Gazastreifen und die Eskalation im Libanon besorgt.
Nach Angaben des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) wurden bei einem der größten Überfälle der vergangenen Monate auf Hilfslieferungen für den Gazastreifen mehr als 100 Lastwagen geplündert. Derweil wird in der libanesischen Hauptstadt Beirut US-Vermittler Amos Hochstein erwartet, um Gespräche über eine mögliche Waffenruhe zwischen der proiranischen Hisbollah und Israel zu führen.
Helfer warnen vor Hungersnot
Die humanitäre Lage in dem dicht besiedelten und abgeriegelten Gazastreifen ist nach mehr als einem Jahr Krieg katastrophal. Hilfsorganisationen werfen Israel vor, nicht genügend Hilfslieferungen in den Küstenstreifen zu lassen. Vor allem im Norden des Gebiets drohe eine Hungersnot. Israel weist das zurück und wirft seinerseits den internationalen Hilfsorganisationen vor, die Hilfslieferungen nicht effektiv im Gazastreifen zu verteilen.
Israel steht international auch wegen der hohen Zahl ziviler Opfer im Gazastreifen in der Kritik. Seit Kriegsbeginn starben nach palästinensischen Angaben mehr als 43.800 Menschen und mehr als 100.000 wurden verletzt. Die Angaben unterscheiden allerdings nicht zwischen Zivilisten und Kombattanten. Israel wirft der Hamas vor, Zivilisten als Schutzschild zu missbrauchen.
Augenzeugen: Hamas geht gegen Plünderer vor
Der Chef des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA), Philippe Lazzarini, sagte in Genf, in der Stadt Chan Junis im Süden des Küstenstreifens hätten notleidende Menschen in ihrer Verzweiflung versucht, ein leeres UNRWA-Lagerhaus zu stürmen, weil sie dachten, die Hilfslieferungen seien dort angekommen. Aber es habe gar nichts mehr zu verteilen gegeben.
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Offenkundig in einer Reaktion auf die Plünderung des Konvois vom Samstag gingen Bewaffnete der islamistischen Hamas Augenzeugenberichten zufolge massiv gegen Plünderer vor. Bei der Aktion rund um die Städte Chan Junis und Rafah im Süden des Küstenstreifens habe es viele Tote und Verletzte gegeben, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur. Auch das von der Hamas kontrollierte Innenministerium bestätigte die Aktion.
Eskalation seit Oktober 2023
Die israelische Armee, die seit dem Hamas-Massaker mit 1.200 Toten in Israel im Oktober 2023 gegen die Hamas kämpft und mit starken Verbänden im Süden des Küstenstreifens vor Ort ist, habe nicht eingegriffen. Anwohner hätten überrascht registriert, dass bewaffnete Hamas-Kämpfer auf Motorrädern unbehelligt von der israelischen Armee durch die Straßen fahren und gegen Plünderer und Diebe vorgehen konnten.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat als Kriegsziel die Zerschlagung der Hamas ausgegeben. Die Terrororganisation aber versucht trotz des militärischen Drucks durch Israel, ihre Macht über den Gazastreifen zu erhalten. Zudem befinden sich noch rund 100 israelische Geiseln im Gazastreifen, von denen viele jedoch nicht mehr am Leben sein dürften.
Israel: Auch libanesische Hisbollah versteckt sich hinter Zivilisten
Den Vorwurf, Zivilisten als Schutzschilde zu missbrauchen, erhebt Israel auch gegen die Hisbollah, die ihre Kommandozentralen, Waffenlager und teils auch Abschussrampen für Raketen absichtlich in Wohngebieten angelegt habe. Die Luftwaffe flog erneut Angriffe auch auf das Zentrum von Beirut. Ziel war eine Wohnung im Viertel Zakak al-Balat.
Dem libanesischen Gesundheitsministerium zufolge wurden bei dem Angriff fünf Menschen getötet und 24 weitere verletzt. Auch aus anderen Landesteilen wurden wieder Luftangriffe Israels gemeldet. Israelische Bodentruppen gingen zudem weiter gegen die Hisbollah-Miliz im Süden des Landes vor.
Tote und Verletzte in Israel durch Hisbollah-Raketen
Auch die Hisbollah setzte ihrerseits den Raketenbeschuss Israels fort. Bei dem Einschlag einer ihrer Raketen in dem nordisraelischen Ort Schefaram wurde eine Frau getötet. Zehn weitere Menschen wurden nach Angaben des Rettungsdienstes in dem überwiegend von arabischen Israelis bewohnten Ort leicht verletzt. Früher am Tag seien bereits zwei Menschen an anderen Orten im Norden des Landes durch Raketen verletzt worden.
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Am Abend heulten in der Küstenmetropole Tel Aviv erstmals seit fast zwei Wochen wieder die Sirenen. Nach Angaben der Armee war eine Rakete aus dem Libanon im Anflug, die abgeschossen wurde. Trümmerteile hätten fünf Menschen verletzt und einen Brand in der Stadt Ramat Gan östlich von Tel Aviv ausgelöst. Insgesamt seien im Laufe des Tages mehr als 100 Raketen vom Libanon aus auf Israel abgefeuert worden.
Die Hisbollah bestätigte die Angriffe. Sie beschießt Israel seit mehr als einem Jahr – nach eigener Darstellung zur Unterstützung der Hamas im Gazastreifen. Wegen des Beschusses haben rund 60.000 Menschen im Norden Israels ihre Wohnorte verlassen. Seit Kriegsbeginn wurden dort 77 Menschen getötet und mehr als 650 verletzt. Im Libanon starben durch Israels Gegenangriffe mehr als 3.000 Menschen.
US-Vermittler in Beirut erwartet
Derweil deutet die Hisbollah Verhandlungsbereitschaft mit Israel an. Regierungskreisen im Libanon zufolge sieht die Miliz in einem von den USA vorgebrachten Entwurf für eine Waffenruhe mit Israel eine Basis für weitere Verhandlungen. Es gebe aber noch Gesprächsbedarf. US-Vermittler Hochstein wird Mitte der Woche in Beirut erwartet.
Medienberichten zufolge besagt der Entwurf, dass Israel und die Hisbollah ihre Angriffe zunächst 60 Tage lang aussetzen. Die israelische Armee soll den Libanon verlassen, und Soldaten der libanesischen Armee sollen an der Grenze stationiert werden. Israel und der Libanon sollen nach 60 Tagen zudem Verhandlungen über die vollständige Umsetzung der UN-Resolution 1701 führen. Deren Ziel war nach dem vergangenen Krieg von 2006 ein Ende der Kämpfe im libanesisch-israelischen Grenzgebiet.
dpa/dtj