Politik
Warum Aserbaidschan in Bergkarabach Krieg führt
Eskalation im Kaukasus: Aserbaidschan beschießt die armenische Enklave Bergkarabach von allen Seiten. Das Ziel: Baku will das armenische Militär aus der Region vertreiben. Lokale Beobachter berichten von Toten und Verletzten. Der türkische Präsident Erdoğan stellt sich hinter Aserbaidschans Militäreinsatz.
Nach dem Tod von vier Polizisten und zwei aserbaidschanischen Zivilisten bei einer Minenexplosion in Bergkarabach startete Aserbaidschan am 19. September einen Großangriff auf die seit Jahrzehnten umstrittene Enklave. Baku spricht von einer „Antiterror-Operation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“ gegen armenische Separatisten. Aserbaidschan fordert die Auflösung der separatistischen Regierung in Stepanakert und deren Truppen.
Gelingen soll das mit einem breit angelegten Militäreinsatz, der sich ausschließlich gegen militärische Ziele richte. Was das genau heißt, berichten lokale Beobachter: mindestens 27 Tote – darunter mindestens sieben Zivilisten sowie über 200 Verletzte. Viele Menschen sind auf der Flucht. Angaben der Behörden aus Bergkarabach zufolge seien 7.000 Bewohner aus 16 Orten evakuiert worden. Die Rettungsmaßnahmen gestalten sich schwierig, weil es vielerorts an Treibstoff mangelt.
Im Fokus des Streits: Bergkarabach
Das ist die Folge einer monatelangen Blockade durch aserbaidschanische Sicherheitskräfte – und hat Tradition. Denn das Verhältnis zwischen dem muslimischen Aserbaidschan und den christlich-orthodoxen Armeniern prägt eine lange Feindschaft. Im Fokus des Streits steht immer wieder Bergkarabach, das auf aserbaidschanischem Territorium liegt und völkerrechtlich Baku zugesprochen wird, obwohl es mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird.
Eskalation in Bergkarabach: Welche Rolle nimmt die Türkei ein?
Ein Krieg Anfang der 1990er-Jahre brachte keine Einigung. Armenien konnte dennoch für relativen Frieden für seine Staatsbürger sorgen, bis 2020 Aserbaidschan erneut angriff und Gebiete zurückeroberte. Seither war der Konflikt eingefroren. Aserbaidschan versuchte mit Scharmützeln an der Grenze und Blockaden zwischenzeitlich, Bergkarabach zu destabilisieren.
Humanitäre Lage in Bergkarabach ist desaströs
So hatte Aserbaidschans Machthaber Ilham Aliyev, vor den Kampfbehandlungen, den einzigen Zugang Armeniens in die Exklave – den sogenannten Latschin-Korridor – schließen lassen. Circa 120.000 Menschen fehlt es seit Monaten an Lebensmitteln und Medikamenten. Die humanitäre Lage ist desaströs. International wurde Aserbaidschan dafür kritisiert – auch von der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Das durch Öl und Gas reich gewordene Land wird militärisch von der Türkei unterstützt, kann sich auf politischen Beistand aus Ankara verlassen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP) befürwortete in der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York die Schritte zum „Schutz der regionalen Integrität Aserbaidschans“. Armeniens traditionelle Schutzmacht ist Russland. Moskau ist derzeit wegen des Angriffskrieges in der Ukraine aber anderweitig gebunden.
Kommt es zu einem Treffen zwischen beiden Seiten?
Zwischenzeitlich machen Berichte über eine Feuerpause in Bergkarabach die Runde. Armenische Vertreter der Enklave kündigten an, sich mit der aserbaidschanischen Seite treffen zu wollen. Ort dieser Gespräche soll die aserbaidschanische Stadt Yevlax sein. Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan äußerte vorsichtige Hoffnung, „dass die militärische Eskalation nicht weitergeht.“
Türkische Medien berichten indes, dass die Führung in Stepanakert eingewilligt habe, die Waffen niederzulegen. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es derzeit nicht.