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Gesellschaft

Zensur in der Türkei: Twitter-Stillstand im Erdbeben-Gebiet

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In der Türkei geht der Kampf ums Überleben weiter. Jede Stunde zählt. Die Regierung hat entgegen eigener Aussagen Schwierigkeiten, Herr der Lage zu werden. Dies wurde in den sozialen Medien deutlich. Die wachsende Kritik an der Regierung führte schließlich erst zur Drosselung und schließlich zur Sperre von Twitter.

Von Stunde eins des Erdbebens war besonders Twitter das größte Mittel für die Krisenkommunikation im Krisengebiet. Überlebende unter den Trümmern konnten ihren Standort mitteilen und Helfende informieren. Zum Teil konnten Familienmitglieder die Standpunkte ihrer überlebenden Verwandten melden.

Dank des sozialen Netzwerks wurde aber auch das ganze Ausmaß des schrecklichen Erdbebens deutlich. So kam auch ans Licht, dass die türkische Regierung überfordert ist. Auch mehrere Stunden nach der Katastrophe war der Katastrophenschutz AFAD nur in einem Bruchteil der zerstörten Städte angekommen.

„Wir wissen über alles Bescheid, das ihr verbergen wollt“

Markus Rosch, Türkeikorrespondent der ARD, schreibt auf Twitter, dass die türkische Regierung das soziale Medium abgeschaltet habe. Auch andere melden dies. Der Ärger ist groß, Unverständnis macht sich breit. Dem türkischen Vizepräsidenten Fuat Oktay liege ein technisches Problem vor. Neben internationalen und türkischen Journalist:innen melden sich auch Politiker:innen der Oppositionsparteien zu Wort.

Allen voran Kemal Kılıçdaroğlu von der CHP, aber auch Meral Akşener von der İyi-Partei und ebenso Ahmet Davutoğlu von der Gelecek-Partei protestierten prompt gegen die Einschränkung. Kılıçdaroğlu bestätigte via Twitter, dass die „verrückt gewordene Regierung“ die Kommunikation via Social Media unterbunden habe.

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Damit würde man nun die Hilferufe von Menschen unter den Trümmern verhindern. „Wir wissen über alles Bescheid, das ihr verbergen wollt. Wir warten auf eure Erklärung.“ Doch wie geht das, wenn doch ebenjene Social-Media-Plattform größtenteils offline genommen wird?

VPN als Ausweg aus der Zensur

In der Türkei sind es die Menschen gewohnt, in Deutschland ist dies eine komplizierte Frage. Wie kann man trotz behördlicher Einschränkungen immer noch Twitter nutzen? Dafür gibt es eine bestimmte Technologie: VPN. Also ein Dienst, der eine abgekapselte Verbindung mit dem Internet herstellt.

Einem Tunnel gleich können Nutzer mittels VPN anonym surfen und oftmals politisch bedingte Blockierungen in gewissen Gebieten umgehen. VPN-Technologien sind in Deutschland selten nötig. Oft nutzt man ein VPN, um größere Sicherheit im Netz zu genießen. In restriktiven Ländern wie der Türkei ist VPN hingegen der Zugang zu mehr Freiheit.

Künstler, NGOs, Betroffene nach Twitter-Sperre in Rage

Der Comedian Cem Yılmaz schrieb via Twitter: „Gibt es eine Erklärung dafür, warum Twitter eingeschränkt wird, obwohl es dabei helfen kann, Leben zu retten? Seit drei Tagen wurde bereits deutlich, welchen Nutzen man davon hat. Ich bin einfach sprachlos.

Der Sportjournalist Yağız Sabuncuoğlu half via Twitter Menschen, Spendengelder in Millionenhöhe zu sammeln. Für seine berufliche Zukunft ist das Netzwerk unabdingbar. Dennoch schrieb er: „Seit Tagen haben wir Menschenleben gerettet. Bitte hebt die Sperre auf. Wenn alles vorbei ist, könnt ihr Twitter von mir aus vollständig abschalten. Es ist mir völlig gleichgültig!“

Haluk Levent: „Was machen wir jetzt?“

Der Rockstar Haluk Levent könnte weiterhin auf der Bühne stehen und seine beliebten Lieder singen. Er könnte es auch sein lassen und mit seinen millionenfach verkauften Alben ein ruhiges Leben führen. Doch er engagiert sich für die Menschen in seiner Heimat.

Seit Jahren hat sich Levent als ehrenamtlicher Retter und Helfer einen Namen gemacht. Heute vertrauen mehr Menschen ihm als den staatlichen Hilfsorganisationen und Behörden. Dies wurde auch bei diesem Erdbeben sichtbar. Mit seiner Hilfsorganisation „Ahbap“ sammelt Levent mehrere Millionen türkische Lira an Spenden.

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Für die Vernetzung und die Transparenz ist er auf Twitter angewiesen. Nach der Sperre schrieb er aus der Krisenregion: „Was machen wir jetzt? Wie sollen wir unsere Aktionen verkünden?“

Influencer Erlik: „Seid ihr Feinde dieses Volkes?“

Er ist bekannt für seine politischen Mash-Up-Analysen auf YouTube und seine mit Witz und Humor vorgetragenen Videos zu tagesaktuellen Themen rund um Politik, Mafia und Korruption. Manchen gilt Erlik als regierungsnah. Doch seine Postings via Twitter zeichnen ein anderes Bild.

Er gibt sich als ehrlicher Verfechter der einfachen Bevölkerung. So teilt Erlik seit Tagen kritische Postings über fehlende Hilfeleistung durch den Staat. Besonders in den Hochburgen der Krise wie Adıyaman und İskenderun hatte Erlik bislang die Standorte von Überlebenden verbreitet und Hilfsgüter sowie Katastrophenhilfe organisiert.

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Über die Twitter-Sperre schrieb er: „Das war das einzige, was wir in der Hand hatten, um Hilfe zu leisten. Seid ihr Feinde dieses Volkes? Gehört ihr zu den Besatzern? Was ist euer Problem? Dummheit ist es nicht!“

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