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Geschichte

Armenien und die Türkei: Entspannung an einer der bizarrsten Grenzen der Welt

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Armenien und die Türkei wollen erstmals seit 30 Jahren ihre Grenze wieder dauerhaft öffnen – vorerst aber nur für Drittstaatler und Diplomaten. Welche Folgen das für die Region und den Konflikt um Bergkarabach hat.

Panzer und Wachtürme auf der einen, Schäfer mit ihren Herden auf der anderen Seite: Die bis vor Kurzem geschlossene armenisch-­türkische Grenze ist eine der merkwürdigsten der Welt. Während Ankara nach der Sperrung 1993 seine Seite der Grenze entmilitarisierte, wacht auf armenischer Seite das verbündete russische Militär.

Damit soll nun Schluss sein: Armenien und die Türkei wollen nach Angaben aus Eriwan ihre Grenze wieder dauerhaft öffnen – erstmals seit 30 Jahren. Vorerst soll der Übergang nur für Drittstaatliche und Diplomat:innen möglich sein. Langfristig dürfte er allen Bürger:innen offenstehen.

Armenier und Historiker sprechen von Völkermord

Bis zum Beginn der Tourismus-Saison soll der Grenzverkehr auf dem Landweg wieder zugelassen werden, sagte der armenische Außenminister Ararat Mirsojan. Einen Flugpersonenverkehr zwischen Armenien und der Türkei gibt es bereits. Das ist, auch wenn bereits im vergangenen Jahr angekündigt, mehr als bemerkenswert.

Verharrten die beiden Länder doch lange Zeit in einem uralten Konflikt: Während des Ersten Weltkriegs wurden christlich-armenische Menschen im Osmanischen Reich verfolgt, vergewaltigt, deportiert oder getötet. Historiker:innen schätzen, dass rund eine Million Armenier:innen umgebracht wurden.

Annäherung im Zuge der Erdbeben-Katastrophe

Armenier:innen – und auch der deutsche Bundestag – bezeichnen das Massaker als Völkermord. Ankara sieht das anders und weist alle Genozid-Vorwürfe zurück. Der türkischen Regierung zufolge habe es weitaus weniger Tote gegeben. Und auch andere Bevölkerungsgruppen seien betroffen gewesen.

Nichtsdestrotrotz ziehen sich bis heute tiefe Gräben durch die Bevölkerungsgruppen der Region. Ein erstes ernsthaftes Anzeichen der Annäherung hatte es kurz nach den schweren Erdbeben im Februar gegeben. Damals hatte die Türkei ihre Grenze erstmals wieder geöffnet, um humanitäre Hilfstransporte und Helfer:innen aus Armenien ins Land zu lassen.

Gemeinsame Position im Bergkarabach-Konflikt

Bereits zuvor hatten die Türkei und Armenien wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen. Im vergangenen Sommer kam es zu Treffen der beiden Regierungen. Eine Grenzöffnung stand da (noch) nicht zur Debatte. Viel mehr ging es damals um eine gemeinsame Position im Bergkarabach-Konflikt.

In dem Territorial-Konflikt, in dem sich Armenien und der türkische Verbündete Aserbaidschan seit Jahrzehnten bekriegen, nimmt Ankara eine besondere Rolle ein. Einerseits verbündet mit Aserbaidschan, bemüht sich die Türkei um Entspannung an ihrer Nordostgrenze.

Aserbaidschan will Annäherung verhindern

Aserbaidschan versucht, den Normalisierungsprozess zwischen der Türkei und Armenien mit eigenen Bemühungen um ein Friedensabkommen mit Armenien zu verbinden. Baku verfolgt damit das Ziel, die Kontrolle über Bergkarabach zu festigen. Armenien bevorzugt es, bilateral mit Ankara zu verhandeln. Die Position der Türkei ist indes unklar.

Der trügerische türkische Triumph in Aserbaidschan

Fortschritte in den Beziehungen zwischen ihr und Armenien stießen in der Vergangenheit auf aserbaidschanischen Widerstand. Als die beiden Staaten ankündigten, ihre Grenzen zu öffnen, gab Aserbaidschan noch am selben Tag bekannt, seine Landgrenze zur Türkei zu schließen.

Das Dreieck Armenien-Aserbaidschan-Türkei bietet viel Zündstoff – historisch wie aktuell. Baku wird die Situation an der Grenze genau beobachten. Die Annäherung Ankaras und Eriwans zeigt aber: Auch jahrhunderalte Konflikte können mit viel politischem Willen gelöst werden.

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