Panorama
Pegida prägt auch Wahl zum Unwort des Jahres
Die Wahl zum Unwort des Jahres 2014 gibt einen deutlichen Hinweis auf die Vertrauenskrise etablierter Medien und steht im Zeichen der Pegida-Proteste. „Lügenpresse“ wurde zum Unwort, man rügte aber auch den Begriff „Russlandversteher“. (Foto: dpa)

Die Jury unter dem Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich, die in Darmstadt das Unwort des Jahres 2014 zu wählen hatte, wollte offenbar unter dem Eindruck der Pegida-Proteste, die in der Endphase des Vorjahres aufkamen, ein Zeichen setzen.
Am Ende hat die Jury sich jedoch weder für den Begriff „Pegida“ an sich noch für jenen der „Islamisierung“ entschieden, sondern den Ausdruck „Lügenpresse“ zum Unwort gewählt. In einem Jahr, das vor allem von einem breiten Vertrauensverlust in die etablierten Medien gekennzeichnet war, ein medienkritisches Wort zum Unwort des Jahres zu küren, verspricht noch kontroverse Debatten.
In sozialen Medien sind die ersten Reaktionen auf diese Entscheidung bereits sehr unterschiedlich. Neben vehementen Befürwortern dieser Wahl gibt es auch Stimmen, die davon sprechen, dass „faktenkreative Medien“ dadurch in ihrem „Selbstmitleid“ bestärkt würden.
Die „Unwort“-Jury sah dies anders: Das am Ende gewählte Schlagwort „war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien“, hieß es aus Darmstadt.
„Lügenpresse“ werde „von Leuten gezielt verwendet, die Pegida steuern wollen“, sagte Janich. Hintergrund seien „rechtsextreme Gründe“ – was aber nicht allen Teilnehmern der Pegida-Demonstrationen bewusst sei. Mit dem Ausdruck würden Medien allgemein diffamiert. „Eine solche pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit.“ Der Ausdruck sei siebenmal eingesandt worden. Insgesamt hatte es rund 1250 Vorschläge gegeben. Die sprachkritische Jury entscheidet aber unabhängig und richtet sich nicht nach der Häufigkeit der Einsendungen.
Unwort-Jury rügte auch „erweiterte Verhörmethoden“
Der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz, lobte die Wahl. „Eine Woche nach dem terroristischen Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und im Angesicht von Pegida trifft die Jury den Nagel auf den Kopf: Die Presse- und Meinungsfreiheit ist leider auch in den freiheitlichen westlichen Demokratien immer wieder aufs Neue bedroht“, teilte Wanderwitz mit.
Gerügt wurden auch die Bezeichnung „erweiterte Verhörmethoden“ in einem Bericht des US-amerikanischen Geheimdienstes CIA, der als Euphemismus Folter legitimieren solle, sowie – was Medienkritiker versöhnen dürfte – der Begriff „Russland-Versteher“.
Zum Unwort werde dieser in der aktuellen außenpolitischen Debatte gebrauchte Ausdruck vor allem, weil er das positive Wort „verstehen“ diffamierend verwendet werde. Das Bemühen, fremde Gesellschaften und Kulturen zu verstehen, müsse hingegen Grundlage einer jeden Außenpolitik sein, weil die Alternative nur Hass sein könne. Eine fremde Perspektive zu verstehen, bedeute keinesfalls, damit zugleich Verständnis für daraus resultierende (politische) Handlungen zu haben. Andere polemisierend als „Versteher“ zu kritisieren, sei damit unsachlich und könne die inhaltliche Diskussion nicht ersetzen.
Wort des Jahres war „Lichtgrenze“
Zum „Unwort des Jahres 2013“ war „Sozialtourismus“ gewählt worden, 2012 „Opfer-Abo“, 2011 „Döner-Morde“. Die „Unwort“-Aktion gibt es seit 1991.
Neben der unabhängigen, sprachkritischen Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt wählt davon getrennt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden das „Wort des Jahres“. Für 2014 wurde im Dezember die Bezeichnung „Lichtgrenze“ bekanntgegeben. Der Name stand für ein Kunstwerk in Berlin anlässlich des Festakts im vergangenen November zum 25. Jahrestag des Mauerfalls. Knapp 7000 weiße Ballons stiegen in den Himmel. Sie hatten den Verlauf der deutschen Teilung als Lichtgrenze nachgezeichnet. (dpa/dtj)