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Bildung & Forschung

Nach Druck aus der Türkei: Albanien schließt Schule und Kindergarten

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Die Regierung in Albanien hat eine Schule und einen Kindergarten geschlossen. Kein gewöhnlicher Vorgang, denn zuvor hatte offenbar die türkische Regierung unter Präsident Erdoğan Druck ausgeübt.

Offenbar infolge diplomatischen Drucks aus Ankara hat die Regierung in Albanien eine Schule und einen Kindergarten geschlossen. Dies berichtet die Plattform „Euractiv“. Betroffen sind das türkische Kolleg „Mehmet Akif Ersoy“ der „Gülistan-Stiftung“ in Tirana sowie der Kindergarten „Zübeyde Hanım“. Dieser wurde vom „Bildungsnetzwerk Turgut Özal“ betrieben.

Offiziell begründete Bildungsministerin Evis Kuşi die Entscheidung damit, dass die Einrichtungen „an anderen als den genehmigten Orten“ eröffnet worden seien. Zudem hätten die Verantwortlichen die vorgeschriebenen Zertifikate über Einhaltung der Baustandards nicht eingehalten. Die Bildungsstätten waren zum Zeitpunkt der Entscheidung erst wenige Tage in Betrieb. Die Schüler werden nun anderen Einrichtungen zugewiesen.

Die Betreiber der Schule haben Rechtsmittel gegen die Anordnung angekündigt. Bereits im Jahr 2020 stürmte die albanische Polizei die „Turgut-Özal-Schule“ in der Hauptstadt des Landes und beschlagnahmte ohne vorherigen Gerichtsbeschluss Unterlagen über Lehrkräfte und Schüler.

Albaniens Bildungsministerin bestreitet politische Motivation

Die Ministerin betont in ihrer Erklärung explizit, die Entscheidung habe nichts mit Spekulationen über den Hintergrund der Einrichtungen zu tun. Genau dies ziehen Beobachter der politischen Szenerie in Albanien jedoch in Zweifel.

Die Trägervereine der Schule und des Kindergartens werden von türkischen Stellen der Gülen-Bewegung zugerechnet. Der seit 1998 in den USA lebende türkische Islamgelehrte hat über Jahrzehnte hinweg ein weltweit aktives Netzwerk aufgebaut. Dieses soll unter anderem durch aktive private Bildungsarbeit der muslimischen Welt den Anschluss an den technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt sichern. In der Türkei stiegen Sympathisanten des Predigers rasch in Verwaltung und Justiz auf, zudem bauten sie beliebte Medienformate auf.

Beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ist die Gülen-Bewegung jedoch Ende des Jahres 2013 in Ungnade gefallen. Hinter Korruptionsvorwürfen gegen seine Regierung wähnte er eine angebliche „Unterwanderung des Staates“ durch Gülen-Anhänger. Sicherheitsbehörden sprachen fortan von einer „Terrororganisation“ und veranlassten eine groß angelegte Säuberungskampagne in öffentlichen Ämtern.

Schulen beschlagnahmt und an Maarif-Stiftung übertragen

Für den vereitelten Putschversuch in der Türkei durch eine Gruppe von Militärs im Jahr 2016 machte die Regierung in Ankara ebenfalls die Gülen-Bewegung verantwortlich. Seither forciert sie auch im Ausland ihr Vorgehen gegen Einrichtungen, die dem Netzwerk nahestehen.

Bereits in mehreren Staaten Südosteuropas, Zentralasiens und Afrikas hatte die Regierung Erdoğan erfolgreich ihren Einfluss geltend gemacht und die Schließung türkischer Privatschulen erwirkt. Häufig wurden die Einrichtungen beschlagnahmt und an die staatliche türkische Maarif-Stiftung übertragen.

Die Schließung von Schulen, die als „Gülen-verdächtig“ gelten, soll jedoch nicht die einzige Form der Einflussnahme der türkischen Regierung in den betroffenen Staaten sein. Sie wird zudem auch verdächtigt, Geheimabkommen mit einigen Staaten zu unterhalten, die der Verfolgung von Regierungsgegnern dienen.

Aufgrund dieser Abkommen sollen mehrere türkische Regierungsgegner auf zweifelhafter Grundlage an die Türkei ausgeliefert worden sein. In einigen Fällen soll es dem Geheimdienst MİT sogar gestattet worden sein, Gesuchte aus dem Ausland in die Türkei zu entführen. Im Juli 2020 sprachen UNO-Berichterstatter von mehr als 100 Menschen, die im Rahmen solcher Abkommen „willkürlich festgenommen und inhaftiert, zwangsverschleppt und gefoltert“ sein sollen.

Albanien als Schwerpunktgebiet türkischer „Sonnenscheindiplomatie“

Zu den Ländern, die speziell im Fokus der türkischen Regierung stehen, zählen unter anderem das Kosovo und auch Albanien selbst. Neben Bosnien und Herzegowina sind sie als europäische Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit und frühere osmanische Gebiete für Ankara von besonderem diplomatischem Interesse.

Die Türkei investiert umfangreiche finanzielle und personelle Ressourcen in den Aufbau wirtschaftlicher, religiöser und kultureller Infrastruktur dieser Länder. Mitte der 2010er Jahre errichtete beispielsweise die Stiftung der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet in Tirana ein islamisches Gemeindezentrum mit einer Moschee, die 4500 Personen Platz bietet.

Im Januar 2022 betonte Präsident Erdoğan bei einem Besuch auch die verschiedenen Investitionen der Türkei in Albanien. Unter anderem habe die Türkei ein Krankenhaus im Zentrum von Fier und 524 neu eingeweihte Wohnungen in Laç finanziert. In der vom Erdbeben besonders stark getroffenen Stadt ist sogar ein Platz nach dem türkischen Präsidenten benannt.

Erdoğan zufolge hat die Türkei in Albanien 3,5 Milliarden Euro in 600 Unternehmen investiert und dadurch mehr als 15.000 Arbeitsplätze geschaffen. Außerdem habe die Türkei das Land nach dem Erdbeben 2019 und in der Corona-Pandemie unterstützt. Erdoğan versprach, Albanien auch künftig mit dem in der Türkei entwickelten Impfstoff „Turkovac“ zu versorgen.

Erdoğan und Çavuşoğlu formulierten ihre Erwartungen

Die türkische Regierung betont regelmäßig die Wichtigkeit dieser Investitionen. Unter anderem heißt es, ein Engagement Ankaras in den dortigen islamischen Gemeinden würde weniger Raum beispielsweise für wahhabitische Einflüsse aus Saudi-Arabien lassen.

Kritiker hingegen sehen die Möglichkeit eigener politischer Einflussnahme auf die Regierungen der betreffenden Länder als eigentliche Motivation hinter den Engagements. Aussagen führender türkischer Regierungspolitiker legen selbst den Eindruck nahe, die türkische Unterstützung Albaniens geschehe nicht völlig uneigennützig.

Vor dem albanischen Parlament erklärte Erdoğan selbst, eine „Voraussetzung“ für „unsere Unterstützung und Brüderlichkeit“ sei das albanische Engagement gegen „FETÖ“. Bereits 2020 erklärte auch Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu, diese sei auch „eine Bedrohung für die Länder, in denen sie sich aufhalten“. Entsprechend erwarte man „die Unterstützung und den Beitrag Albaniens“ im Kampf gegen die vermeintliche „Terrororganisation“.

Gefälligkeiten aus Tirana

Albaniens Regierung scheint sich mit ihrem Vorgehen gegen türkische Privatschulen zu bemühen, der Erwartungshaltung aus Ankara gerecht zu werden. Dies ist jedoch offenbar nicht der einzige Bereich. Im Laufe der vergangenen Jahre durfte sich die Regierung Erdoğan auch über andere Gefälligkeiten aus Tirana freuen.

Nur eine Woche vor der Schließung der Schulen in Tirana lieferte Albanien den türkischen Staatsbürger Emre Olur in die Türkei aus. Die frühere rechte Hand des bekannten Mafiabosses Sedat Peker wurde unmittelbar nach seiner Landung auf dem internationalen Flughafen in Tirana festgenommen.

Wenige Stunden später wurde er nach Istanbul zurückgeschickt, obwohl er mündlich einen Asylantrag gestellt hatte. Peker hatte unter dem Eindruck strafrechtlicher Ermittlungen belastende Videos mit Enthüllungen über hochrangige Politiker der regierenden AKP veröffentlicht.

Im Jahr 2019 wurde bereits der Lehrer Harun Çelik trotz der erklärten Absicht, Asyl zu beantragen, in die Türkei abgeschoben. Den mit ihm eingereisten Kollegen Selami Şimşek sollte das gleiche Schicksal ereilen. Beide wurden als vermeintliche „Gülenisten“ gesucht. Şimşek konnte sich dagegen jedoch erfolgreich wehren. Den Ausschlag gab offenbar, dass Çelik mit einem gefälschten Pass eingereist war.

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