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Gesellschaft

Türkei-Wahlen: Erdoğan und die Schwäche der Anderen

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Die Türkei-Wahlen werfen ihre Schatten voraus: Dem oppositionellen Sechser-Bündnis gegen Staatschef Erdoğan droht nach dem Austritt der İYİ-Partei-Chefin Akşener der Zerfall. Das spielt dem Präsidenten in die Karten. 

Wenn Sechs sich streiten, freut sich der Machthaber: So lautet das Motto dieser Tage in der Türkei. Denn ein Jahr Verhandlungen und unzählige Treffen haben nichts gebracht. Das Sechser-Bündnis der Oppositionsparteien, dem neben der İYİ-Partei, der CHP, der Demokrat Partisi und der Saadet Partisi auch zwei Abspaltungen der Erdoğan-Partei AKP (Deva- und Gelecek-Partei) angehören, ist nur zehn Wochen vor den Türkei-Wahlen gescheitert.

Dabei sind sie sich bis heute einig: Präsident Recep Tayyip Erdoğan soll abgewählt werden – mit allen Mitteln. Und die Chancen stehen eigentlich nicht schlecht. Im Gegenteil: Das Erdbeben, die Inflation und die Wirtschaftskrise sind nur einige Angriffspunkte, die der alternde Präsident aktuell bietet.

Sechser-Bündnis am „persönlichen Ehrgeiz gescheitert“

Indes berichten Insider:innen von hitzigen Wortgefechten und erbitterten Grabenkämpfen zwischen den ungleichen Partnern in der Opposition. Dies führte schließlich dazu, dass Meral Akşener für die İYİ-Partei die Reißleine zog. Mit der nationalistischen Partei verliert das Bündnis eine prominente Stimme, mit der viele Türk:innen sympathisieren.

„Unser gemeinsames Projekt ist an dem persönlichen Ehrgeiz eines der Mitglieder gescheitert“, sagte Akşener, ohne Namen zu nennen. Gemeint ist wohl CHP-Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu, in dem sie keine großen Aussichten auf Wahlerfolg sieht. Dazu ziehe die İYİ-Partei aktuelle Umfragewerte verschiedener Institute heran. Demnach hätten aber die Oberbürgermeister von Ankara und Istanbul, beide Mitglieder der CHP, gute Aussichten.

Opposition findet seit Monaten keine gemeinsame Linie

Ganz unrecht hat Akşener damit nicht: Kılıçdaroğlu gilt als gewiefter Stratege hinter den Kulissen. Ausgestattet mit wenig Charisma, gehört er überdies der religiösen Minderheit der Aleviten an. Allein deshalb dürfte er bei den mehrheitlich sunnitischen Wähler:innen schlechte Karten haben. Hinzu kommt: Er ist kein brennender Wahlkämpfer, Erdoğan schon.

Türkei-Wahlen: Erdoğan geht aufs Ganze

Dass sich die Parteien bei der Kandidat:innenkür nicht einigen konnten, zeigt ein generelles Problem des Bündnisses. Es findet seit Monaten keine gemeinsame Linie – und beschäftigt sich mehr mit sich selbst als mit den Wähler:innen. So konnten sich die Parteien bislang programmatisch vor allem darauf verständigen, im Falle eines Siegs das Präsidialsystem abschaffen zu wollen.

Erdoğan könnte Schwäche der Opposition nutzen

Nun kommen immer mehr Gerüchte auf, dass das Bündnis auseinanderfallen könnte. In diesem Fall würden sich die Oppositionsparteien gegenseitig stimmen nehmen. Profitieren würde davon der Staatschef selbst. Für Erdoğan, der mit dem Festhalten am Wahltermin (14. Mai 2023) jüngst aufs Ganze ging, ist das ein gutes Zeichen zum perfekten Zeitpunkt.

Aktuelle Umfragen sehen ihn zwar in der Defensive. Die AKP fiel zuletzt sogar unter 30 Prozent der Stimmen. Ohne Akşeners rechtsnationale İYİ-Partei rückt ein Sieg gegen Erdoğan allerdings in weite Ferne. Wieder einmal könnte der türkische Präsident als Sieger aus diesem Wahlkampf hervorgehen.

Will die Opposition am Ende doch ihre Chancen wahren, muss sie sich dringend einigen. Sonst zerstört sie die Hoffnungen vieler Türk:innen, die sich nach 20 Jahren endlich eine andere Regierung wünschen.

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