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Gesellschaft

Şanlıurfa: „Der Preis der Frauen gleicht zwei Kilogramm Kartoffeln“

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In manchen Regionen in der Türkei gelten Mehrfachehen als Zeichen des männlichen Wohlstands. Die Not der syrischen Flüchtlinge führt dazu, dass sich plötzlich auch weniger wohlhabende Türken eine Zweitfrau leisten können. (Foto: zaman)

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Syrische Frauen werden von türkischen Männern geheiratet.
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Polygamie ist illegal in der Türkei, nur ein Bruchteil der Türken hat mehr als eine Ehefrau. Dennoch sind Mehrfachehen in manchen Regionen in dem Land mit seinen knapp 78 Millionen Einwohnern uralte Praxis. Nach offiziellen Schätzungen – die allerdings von vor dem Bürgerkrieg in Syrien stammen – lebten damals in der Türkei rund 372.000 Frauen als „Kuma“, also als Zweit-, Dritt- oder sogar Viertfrau. Am weitesten verbreitet ist die Praxis in der Provinz Şanlıurfa, wo mehr als 7 Prozent der Ehen Medienberichten zufolge Mehrfachehen sind.

Zuverlässige Statistiken gibt es nicht, weil Mehrfachehen von den Behörden nicht geschlossen und damit nicht erfasst werden. Nach Angaben von Frauenrechtlerinnen hat die Zahl der „Imam-Ehen“, bei denen Geistliche Männer mit einer zweiten oder sogar dritten Ehefrau vermählen, mit der steigenden Zahl der Syrien-Flüchtlinge aber zugenommen. Rechtlich ist nur die erste Ehefrau abgesichert, die ihrerseits die Kinder der Nebenfrau als ihre eigenen anerkennen muss, wenn diese vor dem Gesetz nicht als unehelich gelten sollen.

Mehr als 1,6 Millionen Syrer hat die Türkei aufgenommen, die meisten davon sind Frauen und Kinder. Nach Jahren auf der Flucht haben viele von ihnen ihr Erspartes aufgebraucht, wenn sie überhaupt jemals Rücklagen hatten. Die finanzielle Not zwingt manche Syrerinnen dazu, sich als Zweitfrau ehelichen zu lassen. Medienberichten zufolge verheiraten Flüchtlinge sogar minderjährige Töchter mit Türken.

Not der Syrerinnen drückt den Brautpreis

Unter vielen Türken sind Mehrfachehen verpönt. In Regionen wie Şanlıurfa sind sie aber besonders in konservativen Gesellschaftskreisen akzeptiert – und sie gelten als Zeichen des Wohlstands des Mannes. „Früher musste man sehr reich sein, um eine Zweitfrau zu haben“, sagt die Vorsitzende der Solidaritätsvereinigung der Frauen in Şanlıurfa, Özlem Ulutas Sengül. Die Not der Syrerinnen habe aber deren Brautpreis gedrückt.

In Şanlıurfa kursieren Zahlen, wonach eine syrische Zweitfrau für 5.000 Lira (1.800 Euro) zu heiraten sei – für Türkinnen schwanken die Angaben, sie liegen aber stets deutlich höher. Mehrfachehen sind damit plötzlich auch für weniger wohlhabende Männer erschwinglich geworden. In Şanlıurfa sage man inzwischen: „Der Preis der Frauen gleicht dem Preis von zwei Kilogramm Kartoffeln.“