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Wirtschaft

Von einer Million zur Eins und wieder zurück? Die Türkische Lira schrumpft weiter

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Was passiert mit der Türkischen Lira? Die Talfahrt nimmt kein Ende. Einige fordern bereits größere Geldscheine. Mit 100 Lira kommt man auf dem Wochenmarkt jedenfalls nicht sehr weit. Foto: Shutterstock
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Es ist eine finanzielle Umwandlung, die in der Historie der Währungen äußerst selten ist. Wie kam es dazu, dass einst eine Türkische Lira eine Million Türkische Lira waren? In welchem politischen und wirtschaftlichen Umfeld wurden die Nullen gestrichen? Und wie wahrscheinlich ist es, dass die Lira in Zukunft wieder mehrere Nullen dazubekommt?

Die Inflation in der Türkei war in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren außer Kontrolle geraten. Sie erreichte atemberaubende Höhen, wobei die Verbraucherpreise manchmal monatlich um über 100 Prozent stiegen. Die Regierung kämpfte damit, die Wirtschaft zu stabilisieren, und die Lira verlor rasant an Wert. 2005 vollzog die Türkei eine sogenannte „Währungsreform“.

„YTL“ – Das Streichen der Nullen

In diesem Zuge wurden sechs Nullen aus der Lira entfernt und die „neue Türkische Lira“ (türkisch: „Yeni Türk Lirası“, kurz: YTL) eingeführt. Diese Maßnahme sollte das Vertrauen der Verbraucher und Investoren in die Türkei wiederherstellen. Dieser Prozess war nicht nur eine rein kosmetische Änderung, sondern Teil eines größeren Plans zur Stabilisierung der Wirtschaft.

In den folgenden Jahren führte die türkische Regierung eine Reihe von Maßnahmen ein, einschließlich struktureller Reformen: Hinzu kam die Übernahme von Wirtschaftsprogrammen, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstützt wurden. Doch obwohl die Nullen gestrichen wurden, blieb und bleibt die türkische Wirtschaft mit Herausforderungen konfrontiert, einschließlich hoher Inflationsraten.

Demirtaş: „Druckt 1.000 Lira-Scheine“

Experten wie der renommierte Ökonomie-Professor Özgür Demirtaş weisen darauf hin, dass ohne umfassende Reformen, insbesondere in Bezug auf die Unabhängigkeit der Zentralbank und die Umsetzung von solider Wirtschaftspolitik, die Gefahr besteht, dass die Lira erneut an Wert verlieren könnte. Das Risiko eines Währungskollapses besteht also weiterhin und treibt die Türkei um.

Lira-Krise in der Türkei: Die Märkte bleiben misstrauisch

Der auf Twitter besonders aktive Ökonom Demirtaş hatte jüngst sogar gefordert, 500- und 1.000-Lira-Noten zu drucken. „Man kann sich mit unseren Scheinen kaum noch was kaufen“, begründete Demirtaş seine Forderung. Besonders im Vergleich zu ausländischen Banknoten verliere die Lira weiter an Wert. Die Regierung ignoriert entsprechende Vorstöße und propagiert lieber vermeintliche Funde fossiler Brennstoffe im Schwarzen Meer oder im Südosten der Türkei.

Kommen die Nullen etwa zurück?

Die Frage, ob die Türkische Lira künftig wieder mehr Nullen dazubekommt, ist indes komplex. Es hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich der Weltwirtschaftslage, der Innenpolitik, und der Bereitschaft der türkischen Regierung, notwendige Reformen durchzuführen. Es wäre unklug, definitive Vorhersagen zu treffen. Aber die Erfahrung lehrt uns, dass Währungen stark von den zugrundeliegenden politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen beeinflusst werden.

Straßeninterviews in der Türkei zeichnen ein zweigeteiltes Bild. Die Einen sind unzufrieden und wollen, wenn möglich, das Land verlassen. Die Anderen drücken Zufriedenheit aus und stempeln Unzufriedene als Verräter ab. „Was habe ich mit Dollar zu tun? Ich lebe mit der Türkischen Lira“ posaunen sie kopflos in Streitsituationen. Dabei ist die Türkei traditionell abhängig von Importen und enorm an den Dollar sowie andere westliche Währungen gebunden.

Erdoğan-Schwiegersohn als Finanzminister: „Werden Sie in Dollar bezahlt?“

2020 war die Türkische Lira noch nicht am Boden. Doch Finanzexperten sagten die heutige Krise bereits damals voraus. Als Finanzminister ging Berat Albayrak, Schwiegersohn Präsident Erdoğans, in einem Interview auf die Dollar-Debatte ein. Der Moderator sprach davon, dass ihn der Anstieg des Dollars beunruhige.

Warum die türkische Regierung die Nutzung von Kreditkarten einschränkt

Der damalige Finanzminister erwiderte mit einer Frage: „Werden Sie etwa in Dollar bezahlt?“ So wurde das Problem vor Jahren in höchsten Regierungskreisen wegdiskutiert. Kein Wunder, dass das einfache Volk diese Worte in Straßeninterviews paraphrasiert. Ein weiteres Problem scheint der türkische Lifestyle zu sein. Denn in der Türkei ist es üblich, relativ früh verrentet wird.

Zukunft der Lira bleibt ungewiss

Es ist weit verbreitet, dass man mit gerade einmal 50 Jahren in Rente geht. Doch die Krux ist, dass niemand dann auch wirklich in Rente geht. Tatsächlich arbeiten viele auch als Rentner noch weiter, nicht selten an der Steuer vorbei. Aber zurück zur Lira: Die Geschichte der türkischen Währung ist ein faszinierendes Beispiel für die Verbindung zwischen Währungspolitik und makroökonomischer Stabilität.

Die Entscheidung, Nullen zu streichen, war nicht nur eine symbolische Handlung, sondern ein Versuch, das Vertrauen in die Währung wiederherzustellen. Die Zukunft bleibt jedoch ungewiss, und die Lira wird weiterhin ein Barometer für die wirtschaftliche Gesundheit und politische Stabilität der Türkei sein.