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Wirtschaft

In keinem OECD-Land wird so lange gearbeitet wie in der Türkei

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Nirgendwo innerhalb der OECD gehen mehr Menschen 50 oder mehr Stunden pro Woche auf Arbeit als in der Türkei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der OECD, die allerdings einige Faktoren nicht berücksichtigt.

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Der Anteil der abhängig Beschäftigen, die pro Woche 50 oder mehr Stunden ihres Lebens auf Arbeit verbringen, ist in der Türkei der mit Abstand höchste unter allen OECD-Staaten. Zu diesem Ergebnis kommt der OECD Better Life Index, ein Programm, das Wirtschafts- und Sozialstatistiken kombiniert, um die Lebens- und Arbeitssituation in den OECD-Staaten vergleichbar darzustellen. Demnach arbeiten 40,9% der türkischen Arbeitnehmer 50 oder mehr Stunden pro Woche, im zweitplatzierten Land Mexiko sind es mit 28,8% bereits knapp ein Viertel weniger. Der Durchschnitt der OECD-Staaten liegt bei 12,5%, der in Deutschland sogar nur bei 5,3%. Den geringsten Anteil hat Russland mit 0,2%, es geht dort also fast niemand länger als 50 Stunden pro Woche arbeiten.

Die Statistik zu abhängig Beschäftigten mit sehr langen Arbeitszeiten ist Teil der Studie zur Work-Life-Balance in den OECD-Staaten, also zu dem Verhältnis, in dem Erwerbsarbeit und Privatleben zueinander stehen. Laut der Studie lassen die vorliegenden Daten darauf schließen, dass lange Arbeitszeiten die Gesundheit beeinträchtigen, die Sicherheit gefährden und den persönlichen Stress erhöhen. Deshalb wird der Arbeitszeit die Zahl an Stunden gegenübergestellt, die ein Arbeitnehmer pro Tag für Freizeitaktivitäten und persönliches Wohlbefinden hat. Dazu zählen nicht nur Hobbys oder Zeit mit Familie und Freunden, sondern auch die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Schlaf oder Ernährung. Während Arbeitnehmer im OECD-Durchschnitt 62% des Tages, also knapp 15 Stunden für diese Aktivitäten zur Verfügung haben, sind es in der Türkei nur 13,4 Stunden. Deutschland liegt mit 15,3 Stunden knapp über dem Durchschnitt.

Lange Arbeitszeiten, dafür weniger restriktive Arbeitsmentalität

Somit nimmt die Türkei den letzten Platz in der Statistik ein, oder anders formuliert: In keinem anderen OECD-Land haben Arbeitnehmer im Schnitt so wenig Freizeit wie in der Türkei. Auch insgesamt fällt die Studie für die türkischen Arbeitsverhältnisse wenig schmeichelhaft aus: Die Türkei landet im Bereich Work-Life-Balance abgeschlagen auf dem letzten Platz. Was die Studie allerdings nicht berücksichtigt oder gar nicht berücksichtigen kann, sind statistisch kaum erfassbare Unterschiede in der Arbeitskultur und -mentalität.

So wenden viele Türken ein, dass zwar ein größerer Teil der Lebenszeit am Arbeitsplatz verbracht wird, die Trennung zwischen Privatsphäre und Arbeit aber weniger strikt ist als beispielsweise in Deutschland. So werde weniger Wert auf Akkordarbeit gelegt und mehr auf ein sozial verträgliches Arbeitsleben mit größeren Freiräumen. Demgegenüber steht die außergewöhnlich hohe Rate an Arbeitsunfällen in der Türkei, die die These von der Beeinträchtigung der Sicherheit durch zu lange Arbeitszeiten stützt. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation ILO gehört die Türkei weltweit zu den Ländern mit der höchsten Rate an Arbeitsunfällen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) ist eine internationale Organisation mit 34 Mitgliedsstaaten, die überwiegend als entwickelte Länder mit vergleichsweise hohem Pro-Kopf-Einkommen gelten und marktwirtschaftlich organisiert sind. Sie entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Forum zur Koordination der einzelnen Staaten beim wirtschaftlichen Wiederaufbau in Europa. Gründungsmitglieder sind unter anderem die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und die Türkei. Mittlerweile gehören ihr auch andere außereuropäische Länder wie Mexiko, Japan oder Australien an. Heute sind vor allem ihre großangelegten Studien relevant für nationale Entscheidungsträger, besondere Bekanntheit erlangten die sogenannten PISA-Studien zur internationalen Schulleistungsuntersuchung.