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Politik

Nordzypern-Wahl: Erdoğan mischt jetzt noch mehr mit

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Nordzypern hat einen neuen Präsidenten. Der bisherige Ministerpräsident Ersin Tatar bezwang den bisherigen Staatspräsidenten Mustafa Akıncı bei der Stichwahl. Doch wer ist der neue Präsident und wie sind seine Beziehungen zur Türkei? 

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Der neu gewählte türkisch-zypriotische Führer Ersin Tatar (2.v.r) spricht mit seinen Anhängern, nachdem er die Wahl der türkischen Zyprioten im türkisch besetzten Gebiet im Nordteil der geteilten Hauptstadt Nikosia, Zypern, nach ersten Ergebnissen gewonnen hat.
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Nordzypern hat einen neuen Präsidenten. Ministerpräsident Ersin Tatar bezwang bei der Stichwahl den amtierenden Staatspräsidenten Mustafa Akıncı. Doch wer ist der neue Präsident und wie sind seine Beziehungen zur Türkei?

Die international nur von der Türkei anerkannte Republik Nordzypern hat einen neuen Präsidenten. Am Wochenende gewann der bisherige Ministerpräsident Ersin Tatar die Stichwahl gegen den bisherigen Amtsinhaber Mustafa Akıncı. Nach vorläufigem Endergebnis erlang Tatar 51,7 Prozent der Stimmen. Die Stichwahl wurde nötig, weil bei der Abstimmung eine Woche zuvor keiner der elf Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erlangte. Dabei hatten 32,3 Prozent der Wähler für Tatar und 29,8 Prozent für Akıncı gestimmt.

Unterschiedlicher konnten die beiden Kandidaten kaum sein. Dabei ging es hauptsächlich um den Status der Mittelmeerinsel, die seit 1974 geteilt ist. Während Akıncı für eine Wiedervereinigung ist, setzt sich der neue Präsident Tatar für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Der südliche Teil der Insel wird von der Republik Zypern gelenkt und gehört seit 2004 der Europäischen Union an. Die letzten Verhandlungen für eine Wiedervereinigung beider Staaten endeten 2017 ergebnislos.

Die Wahl in Nordzypern fand diesmal auch aufgrund des Kandidaten Tatar eine so große Beachtung der Weltöffentlichkeit.

Tatar ist ein bekanntes Gesicht der türkischen Seite der Mittelmeerinsel. Der 60-jährige war bereits in den Jahren 2009 bis 2013 als Finanzminister Teil der nordzyprischen Regierung. Ende 2018 schaffte er den Sprung zum Vorsitzenden seiner konservativen Nationalen Einheitspartei (UBP) und war seit 2019 Ministerpräsident der präsidentiellen Demokratie von Nordzypern.

Tatar bekanntes Gesicht in der Türkei

In den Jahren zuvor war der neue Präsident in den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen, unter anderem in Großbritannien und der Türkei, tätig. In die Türkei hegt er weiterhin gute Beziehungen. Tatar ist eng mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan vernetzt und wurde von diesem bei der Wahl auch offen unterstützt. Erdoğan gehörte nach Bekanntwerden des Ergebnisses zu den ersten Gratulanten. Bei einem Telefongespräch sicherte er dem frisch gewählten Präsidenten jegliche Unterstützung zu.

Öffnung von Varosha durch Einfluss der Türkei?

Erst kürzlich sorgte die Öffnung des Stadtteils Varosha in Famagusta durch den nordzyprischen Ministerpräsidenten Tatar für Spannungen auf der Mittelmeerinsel.

Famagusta gilt als Sinnbild der Teilung Zyperns. Als die türkischen Panzer im August 1974 auf die Stadt vorrückten, verließen rund 40 000 Bewohner des griechisch-zyprischen Stadtteils Varosha (türk. Maraş oder auch Kapalı Maraş) ihre Häuser. Seitdem gleicht das Areal einer Geisterstadt. Das Viertel ist unter türkischer Kontrolle, aber nicht besiedelt. In der Lösung der Zypernfrage galt die Rückgabe des Viertels an die früheren griechisch-zyprischen Bewohner eigentlich als wichtigste Maßnahme zur Förderung des Vertrauens zwischen den beiden Volksgruppen.

Die Entscheidung zur Öffnung hat aber noch eine weitere Kuriosität: Sie wurde nämlich nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vollzogen, was für internationale Verwunderung und einen Schlagabtausch zwischen Tatar und Akıncı sorgte. Während letzterer das als „Schande für unsere Demokratie“ ansah, bestand Tatar auf den Anspruch Nordzyperns an Varosha. Zudem legte der Außenminister und Vize-Ministerpräsident Kudret Özersay, der ebenfalls als Präsidentschaftskandidat antrat, aus Protest gegen diese Entscheidung seine Ämter nieder. Der Koalitionspartner, die Volkspartei HP, zog sich aus der Regierung zurück. Kritik kam auch von den Vereinten Nationen.

Einfluss der Türkei auf Nordzypern

Der Einfluss der Türkei auf Nordzypern war schon immer ein Streitpunkt zwischen den unterschiedlichen Parteien auf der Insel. So bekundete der ehemalige Präsident Zyperns Mehmet Ali Talat sein Missfallen in Bezug auf die starke Mitsprache der Türkei. Diese habe viel mehr zu sagen als der nordzyprische Präsident. Das könne er nicht nachvollziehen. Mit der Wahl von Tatar dürfte der Einfluss wohl noch stärker werden. Das machte ein Video des türkischen Staatspräsidenten während seines Gratulationsanrufs bei Tatar deutlich. „Wir müssen als Türkische Republik und Türkische Republik von Nordzypern einen Fahrplan für die Zypern-Thematik erarbeiten“, betonte Erdoğan darin.

Vor der Wahl behauptete Akıncı, dass Mitglieder der türkischen AKP und MHP in Nordzypern den Wahlkampf seines Herausforderers unterstützt hätten. Er selbst sei sogar von einem Mann mit Verbindungen zum türkischen Geheimdienst MIT gewarnt worden. Man habe ihm über seinen Stabschef übermittelt, es sei „besser für Akıncı, dessen Familie und die Nation“, wenn dieser seine Kandidatur zurückziehe.

Offener Dank an die Türkei

Der 72-Jährige erkannte Tatars Sieg zwar an, meinte jedoch, das sei „keine Wahl gewesen, die unter normalen Umständen durchgeführt wurde“ – und er hoffe, „dass niemand mehr auf solche Mittel zurückgreift“. Tatar reagierte zwar kopfschüttelnd auf die Behauptungen, doch Fotos seines Wahlkampfteams bei geheimen Strategietreffen mit dem türkischen Vizepräsidenten Fuat Oktay brachten ihn in Bedrängnis. Dennoch: Der frisch gewählte Präsident bedankte sich bei seiner Dankesrede vor seinen Anhängern offen bei dem türkischen Präsidenten und dessen Vize Oktay, die er beide namentlich erwähnte.

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