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Österreich: „Islam-Landkarte“ sorgt für Wirbel
Eine erstmals erstellte „Landkarte des politischen Islam“ in Österreich sollte der sachlichen und kritischen Auseinandersetzung mit muslimischen Vereinen und Moscheen dienen. Jetzt wird sie zum Fall für die Justiz.
Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) kündigte am Samstag an, dagegen zu klagen. „Die Veröffentlichung sämtlicher Namen, Funktionen und Adressen von muslimischen und als muslimisch gelesenen Einrichtungen stellt eine nie da gewesene Grenzüberschreitung dar“, hieß es zur Begründung. Auch die evangelische Kirche äußerte große Bedenken. Bischof Michael Chalupka forderte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) auf, die Karte aus dem Netz zu nehmen. Die Universität Wien hat bereits die Verwendung ihres Logos für die Landkarte untersagt, obwohl sie das Projekt gefördert hat.
Diese #Islamlandkarte trägt absolut nichts zur Integration bei, sondern befördert eine gesellschaftliche Spaltung. Ich spreche mich ganz klar für das Miteinander und für das respektvolle Zusammenleben aller in @Stadt_Wien und in unserem Land aus. /2 https://t.co/A7vNgFVfz0
— Michael Ludwig (@BgmLudwig) May 30, 2021
Auf der im Internet einsehbaren Karte sind 623 muslimische Organisationen, Verbände und Moscheen mit ihrem jeweiligen Hauptsitz in Österreich eingezeichnet, hinzu kommen etwa Informationen zur Organisationsform und inhaltlichen Ausrichtung. Die Karte unterscheide nicht in gute und böse Vereine, sondern leiste in ihrer Vielfalt einen Beitrag zur Transparenz, sagte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP). „Es geht nicht um einen Generalverdacht gegenüber den Muslimen“, aber es müsse möglich sein, ohne den Deckmantel der Toleranz wichtige Fragen zu stellen. Teils kämen frauenverachtende, antisemitische, rassistische oder auch integrationsfeindliche Haltungen und Positionen vor, hieß es. Wo der Staat eine Handhabe habe, weil radikales Gedankengut verbreitet werde, werde er einschreiten, sagte Raab.
Debatte erwünscht
Es gehe nicht darum, alle Mitglieder einer Bewegung an den Pranger zu stellen, sondern genauer hinzuschauen und die Organisationen zur Debatte einzuladen, sagte Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie in Münster, der zuvor auch in Wien tätig war. Teile der muslimischen Organisationen leisteten auch einen wichtigen Integrationsbeitrag, so der Islamwissenschaftler Ednan Aslan von der Universität Wien. Öffentliche Debatten könnten helfen, Reformbestrebungen in der muslimischen Gemeinde zu befördern. Politischer Islam sei definiert als Herrschaftsanspruch, der Werte durchsetzen wolle, die im Widerspruch zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stünden, so Khorchide.
Die Dokumentationsstelle Politischer Islam wurde als unabhängiger Fonds der Republik 2015 gegründet und hatte vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen. Ein Team aus fünf bis sieben Fachexpert:innen wird eigenverantwortlich durch eine/n Direktor:in geleitet.
dpa/dtj