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Politik

Türkische Regierung bereitet sich mit armenischstämmigem Chefberater auf 2015 vor

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Mit Etyen Mahçupyan hat Premierminister Davutoğlu einen armenisch-türkischen Journalisten zum Chefberater ernannt. Es ist davon auszugehen, dass dies im Zusammenhang mit dem bevorstehenden 100. Jahrestag der Ereignisse von 1915 steht.

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Etyen Mahcupyan wird Chefberater des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu.
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Der 1950 in Istanbul geborene armenische Christ Etyen Mahçupyan ist zum neuen Chefberater des türkischen Premierministers Ahmet Davutoğlu ernannt worden. Damit möchte die Regierung in Ankara ein Signal an die ethnischen Minderheiten im Land setzen.

Mahçupyan soll den Posten des Chefberaters von Premierminister Davutoğlu persönlich angeboten bekommen und diesen angenommen haben.

Armenische Gemeinde in der Türkei tief gespalten

Der 64-jährige Etyen Mahçupyan ist von seiner Ausbildung her Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler. Er machte seinen Abschluss an der Bosporus-Universität und wechselte anschließend nach Ankara, wo er auch als Lehrbeauftragter tätig war. Zwischen 1980 und 1996 betrieb er ein Unternehmen, ehe er als Journalist und Schriftsteller tätig wurde.

In dieser Funktion war Mahçupyan Kolumnist mehrerer namhafter türkischer Tageszeitungen, unter anderem in Radikal, Yeni Binyıl, Taraf und Zaman. Bei der armenisch-türkischen Wochenzeitung Agos wurde er 2007 Nachfolger des ermordeten Hrant Dink als Chefredakteur und blieb bis 2010 in dieser Funktion tätig. Zuletzt schrieb Mahçupyan für die regierungsnahe Zeitung Akşam.

Innerhalb der armenischen Gemeinde ist die Berufung nicht unumstritten. In Zeitungen und sozialen Medien macht sich eine Spaltung unter türkischen Armeniern bemerkbar. Während Zeitungen wie Agos unter ihrem Chefredakteur Rober Koptaş oder armenische Intellektuelle wie Hayko Bağdat von Taraf stark auf Konfrontationskurs gegenüber der Regierung in Ankara gehen, unterstützen Publizisten wie Markar Esayan oder Etyen Mahçupyan ausdrücklich den 2002 von der regierenden Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP) auf den Weg gebrachten zivilen Reformprozess und haben ihre positive Haltung gegenüber der Regierung trotz öffentlicher Kritik an autoritären Tendenzen ungebrochen beibehalten.

Wie Chefberater die Politik der Regierungschef beeinflussen

Die unverbrüchliche Loyalität zur AKP-Regierung in Ankara dürfte auch jetzt die Entscheidung Davutoğlus für Mahçupyan begünstigt haben. Der Posten des Chefberaters des Premierministers spielte in den vergangenen Jahren eine bedeutende Rolle mit Blick auf die politischen Schwerpunkte des jeweiligen Regierungschefs.

Der jetzige Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte 2013 den nationalistischen Fernsehjournalisten Yiğit Bulut mit dieser Aufgabe betraut. Die Regierungspolitik Erdoğans war daraufhin stark von einer wachsenden Distanz zur EU und einer stärkeren Hinwendung zu Russland geprägt. Auch erlangte die Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Verschwörungstendenzen im Staat selbst oder aus dem Ausland eine große Bedeutung in der Rhetorik des damaligen Premierministers.

Etyen Mahçupyan dürfte hingegen für ruhigere und versöhnlichere Töne stehen. Es ist davon auszugehen, dass seine Ernennung auch mit dem bevorstehenden 100. Jahrestag der Ereignisse von 1915/16 rund um die gewaltsame Umsiedlung hunderttausender Armenier in Zusammenhang steht, die in der armenischen Gemeinde vielfach als „Genozid“ bezeichnet werden.

Die türkische Regierung lehnt diese Bezeichnung bis heute vehement ab. Im Vorjahr hatte aber Premierminister Erdoğan als erster türkischer Regierungschef eine Kondolenzadresse an die Nachkommen der damals getöteten Armenier gerichtet, was als Tabubruch wahrgenommen wurde.

Es ist davon auszugehen, dass der Umgang der türkischen Regierungspolitik mit dem Jahrestag und mögliche weitere Schritte zur Versöhnung mit der armenischen Gemeinde zu den Schwerpunkten der Regierungspolitik Davutoğlus im Jahre 2015 gehören werden. Etyen Mahçupyan könnte dabei wertvolle Impulse beisteuern.