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Kolumnen

Das Original gewählt: Österreich macht‘s vor

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Das Wahldebakel der sogenannten Volksparteien, die ihr Profil in einer Dauer-Großen-Koalition verloren haben, wird in Europa vielfach als Warnsignal verstanden. Wahlsieger ist der Kandidat der Blauen, der FPÖ. In die Stichwahl am 22. Mai 2016 geht der Mittvierziger Hofer in Konkurrenz zum 72-jährigen Grünen van der Bellen.

Immerhin erkennen nun manche Kommentatoren, wovor bisher wenige Journalisten, kaum Politiker, aber doch Sozialforscher warnten: Wer den rechten Rand bedient, stärkt ihn statt ihn zu schwächen. Schließlich wählen die Menschen lieber das Original, statt die Kopie. Dies bestätigen Studien wie die von Cas Mudde, die bereits in der Sarrazin-Debatte überhört wurden.

Der Wien-Korrespondent Ralf Borchard formuliert in einem Kommentar zum Wahlausgang am 24. April 2016 dieses Fazit so: „Die Taktik, den Aufstieg einer FPÖ oder AfD zu begrenzen, indem man ihre Forderungen kopiert, funktioniert nicht. Rechtsaußen-Positionen zu übernehmen, schwächt die Parteien am rechten Rand nicht, es stärkt sie.“  Aber genau das ist die Parteilinie fast aller Regierungsparteien europaweit.

Allerdings muss man dabei ganz genau hinsehen, um aus den Erfolgen rechter Parteien zu lernen – denn, wie im Fall der FPÖ, stehen sie nicht selten auch für Skepsis bis Ablehnung von Abkommen wie TTIP und überhaupt einer Entmündigung, etwa durch die EU. Diese Kritik wäre ebenso anschlussfähig in der breiten Bevölkerung, wird aber von den etablierten Parteien und Medien weniger bis gar nicht aufgegriffen und damit heruntergefahren. Hier hört man weit weniger den populär gewordenen Satz: „Das Thema dürfen wir nicht den Rechten überlassen!“ Das ist interessant, denn es deutet darauf hin, dass es immer noch bewusste Entscheidungen gibt, welches Thema „vom Volk“ man aufgreift und damit groß macht und welche nicht.

Rassismus verfängt dabei offensichtlich leichter als komplexere Themen, wie die als „Verschwörungstheorie“ geschmähte Kritik am sogenannten Freihandelsabkommen. Die lange kultivierte Saat geht also auf: Die sogenannte Islamkritik, die im Internetinkubator aufgegriffen und aufgefrischt wurde, trägt ihre Früchte – auf den Straßen und bei den Wahlen. Wer den Scharfmachern das Zeug redet und eine Politik unterstützt, die den Scharfmachern Recht gibt, betätigt sich als Wahlhelfer. So geschehen nach den Pogromen der 1990er Jahre, als das Asylrecht verschärft wurde, sprich: eingeschränkt. Die erneute und tatsächlich verschärfte weitere Einschränkung des Grundrechts auf Asyl – unter konsequenter Ausklammerung von Fluchtursachen und einer möglichen und unterlassbaren Selbstbeteiligung daran – spricht erneut den Blauen Legitimation zu.

Wer den Zusammenhang bis heute noch nicht verstanden hat, sehen Sie in diesem Presseclub vom 24. April 2016.  Es handelt sich hier um Meinungsführer aus der Publizistik, und noch immer kursieren die gleichen Themensetzungen und Tabubehauptungen – so als hätte es die Fixierung auf vermeintlich und tatsächlich Islamisches nicht seit Jahr und Tag gegeben:

Nun ist der Katzenjammer groß, aber anscheinend auch nicht wirklich ernst gemeint. Sonst würde man nicht erneut mit dem Breittreten von Thilo Sarrazins Genetik- und Kulturthesen in Buchform Wasser auf die Mühlen der Fremdenfeinde gießen. Die Aufmerksamkeitsökonomie unterscheidet nicht nach positivem und negativem Bericht, sie lenkt Aufmerksamkeit auf das am meisten wiederholte Thema – und da gibt es ganz klare Entscheidungen für bestimmte Themen und bestimmte Akteure. Die vielen konstruktiven Stimmen sind offensichtlich zu wenig schrill, um auch nur wenigstens einmal kritisiert und damit bekannt gemacht zu werden.