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Panorama

Der Page und der schmutzige Stiefel

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Eine festliche Veranstaltung wird zu einem eindeutigen Bekenntnis zum Pazifismus an einer Stelle, wo es kein Mensch vermutet hätte. Und auch die Protagonisten selbst wurden Darsteller in einer denkwürdigen Szene.

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Es war im Jahre 2007, es standen die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Proklamation des Königreiches Saudi-Arabien auf dem Terminkalender. Auch Vertreter der Deutschen Muslim-Liga Bonn e.V. waren mit ihrem Vorsitzenden, Scheich Bashir A. Dultz, unerwartet vom saudischen Kulturattaché zum Empfang ins noble Hotel Adlon in Berlin, geladen worden.

Der Vorsitzende scharte also seine tapfersten Schülerinnen und Schüler um sich und betrat die Szenerie. Den sonst in großer Bescheidenheit lebenden Vereinsmitgliedern offenbarte sich hier eine gänzlich unbekannte Welt. Prinzen und Prinzessinnen, Pfeife rauchende Professoren, aus dem Fernsehen bekannte Politiker und allerlei umtriebiges Pressevolk flanierten die Flure des traditionsreichen Hotels entlang.

Da der Scheich vor dem Empfang noch Freunde besucht hatte, vor deren Haus Bauarbeiten getätigt wurden, hatte er entsprechend mit Lehm beschmutzte Stiefel mit ins Hotel gebracht, die so gar nicht in die vornehme Umgebung passten. Darum beauftragte er einen seiner treuesten Schüler – Talib – damit, im Hotel eine Schuhputzmaschine ausfindig zu machen, um die Stiefel zu säubern. Der junge Mann war ganz begeistert von seiner Aufgabe, dem Scheich endlich etwas Gutes tun zu dürfen. Er sprang auf und machte sich voller Elan auf die Suche nach der Schuhputzmaschine.

Warum der Page keine Ahnung haben konnte

Und siehe da, vor ihm öffneten sich klingelnd die edlen Türen des Fahrstuhls, dem wie gerufen ein Page in wunderschöner Uniform entstieg, der eine Dame zum Empfang ins Foyer geleitete. Diesen sprach er folgendermaßen an: „Entschuldigen Sie bitte, können sie mir sagen, wo sich hier im Hause eine Schuhputzmaschine befindet? Wir müssen hier unbedingt ein Paar Stiefel säubern“. Der Page sprach: „Das weiß ich nicht!“

Talib beharrte aber auf einer Auskunft und bohrte weiter: „Aber Sie als Angestellter des Hauses müssen doch wissen, wo sich die Schuhputzmaschine befindet…?!“ Der Page darauf mit zornigem Blick: „Aber das ist doch…“ Enttäuscht und etwas verunsichert kehrte Talib zum Scheich zurück und sagte: „Scheich, wenn selbst der Page nicht weiß, wo sich hier diese Schuhputzmaschine befindet, dann weiß ich auch nicht…“ Darauf der Scheich: „Sidi Talib, lass den Herrn heute Abend mal in Ruhe, das war ein deutscher Luftwaffengeneral in Galauniform.“

Der gute Talib hatte einst in den Reihen der ostdeutschen Nationalen Volksarmee („NVA“) gedient, kannte sämtliche Uniformen der Warschauer Pakt-Staaten, aber nicht die Galauniform des einst verfeindeten deutschen Luftwaffengenerals, der mit seiner Frau eigentlich einen schönen Abend verbringen wollte und dann so unerwartet degradiert wurde.