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Khorchide: Muslime sollten Luther lesen
Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide hat die Bedeutung Martin Luthers für die Muslime hervorgehoben. Luther könne daran erinnern, dass der Islam die Menschen von jeglicher Bevormundung in religiöser, politischer oder sozialer Hinsicht befreien wolle. Khorchide äußerte sich aus Anlass des 500. Jahrestags der Reformation am 31. Oktober in einem Kommentar der Reihe „Freitagsforum“ auf NDR Kultur.
„Sich mit Luther auseinanderzusetzen, soll Muslimen Mut machen, ihre Religiosität selbst in die Hand zu nehmen“, so der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster. Der Islam kenne zwar keine institutionelle Autorität wie die Kirche, es gebe jedoch autoritäre Strukturen sowie Gelehrte und Imame, die als unhinterfragbare Instanzen gelten und die Gläubigen bewusst oder unbewusst in religiösen Fragen bevormunden würden. „Viele Muslime folgen dem, was der Imam in ihrer Moschee sagt.“
Es gehe nicht vorrangig um die Frage, ob der Islam nun eine Reformation brauche oder nicht. Entscheidend sei die Idee der Reformation, nämlich zu hinterfragen und zu reflektieren. Der islamische Theologe wies zugleich darauf hin, dass auch der Islam eine Geschichte der Erneuerung mit unterschiedlichen Rechtsschulen und teilweise widersprüchlichen Auslegungen der heiligen Schriften habe.
Khorchide warnte indes davor, Luthers Aufruf „sola scriptura“, auf Deutsch: „allein durch die Schrift“ einfach auf den Islam zu übertragen. Denn die Forderung „allein durch den Koran“ sei der Aufruf radikaler Salafisten, die meinten, die islamische Tradition der Vielfalt verwerfen zu müssen. Man könnte den Aufruf Luthers aber auch islamisch im Sinne der religiösen Selbstbestimmung der Muslime verstehen: „Und das ist eine intellektuelle Herausforderung und zugleich ein Auftrag an die Muslime.“
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KNA/oet/cdt