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Wirtschaft

Öl- und Erdgas-Boom könnte Energie-Weltkarte neu ordnen

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Nicht nur Europa dürfte durch globale Verschiebungen am Energiemarkt weiter ins Hintertreffen geraten. Vor allem für die Ölstaaten im Mittleren Osten bedeutete die bisherige Vormachtstellung Macht und Einfluss, die nun schwinden könnten. (Foto: dpa)

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Es dürfte in dieser Frage wenig Unterschied machen, ob nächste Woche Amtsinhaber Barack Obama von den Amerikanern das Vertrauen für eine zweite Amtszeit ausgesprochen bekommt oder ob Herausforderer Mitt Romney zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird: Die USA werden künftig mehr Kräfte als je zuvor mobilisieren, um die Unabhängigkeit des Landes von Energieimporten aus dem Ausland zu erreichen.

Präsident Obama tendiert dabei stärker zu einem Energie-Mix, der Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien betont, Mitt Romney will zuvorderst das noch nicht erschlossene Potenzial von Öl- und Gasvorkommen auf dem amerikanischen Festland und vor den Küsten nutzen und durch eine enge Abstimmung mit Kanada und Mexiko bis 2020 die USA von ausländischen Erdölimporten unabhängig machen.

Erfolg durch Zukunftstechnologien

Bereits jetzt entfällt ein Drittel der Rohöl- und Erdölprodukte der USA – noch werden 45% davon importiert – auf die nordamerikanischen Nachbarländer. Allerdings wurden seit 2005, als die Importabhängigkeit der USA immer mehr abzunehmen begann, die Karten auf der globalen Energielandkarte kontinuierlich neu gemischt und die USA haben dabei ein sehr gutes Blatt abbekommen: Während Kanada sich über die Entdeckung großer Reserven an Erdöl aus Teersand freuen kann, haben neue Techniken wie die Horizontalbohrung oder „hydraulic fractoring“ (Fracking) vor allem die Erschließung neuer Erdgas- und Schieferölvorkommen ermöglicht.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ zitiert eine Berechnung des britischen Energiekonzerns BP, wonach Nordamerika und dabei insbesondere die USA ab 2030 selbst zum Erdgasexporteur werden könnten. Vor allem verflüssigtes Erdgas (LNG) würde dabei ein nicht zu unterschätzendes Potenzial aufweisen. Im Gegenzug würde nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) der interregionale Rohölhandel bis 2017 um 1,6 Mio. auf 32,9 Mio. Fass pro Tag sinken.

Parallel dazu hat auch Russland seine Position auf dem Weltmarkt ausgebaut, indem der staatliche Konzern Rosneft den bisherigen 50%-Anteil BPs an TNK-BP erwerben konnte und Gazprom kürzlich bereits die Eröffnung der zweiten Ostsee-Pipeline gefeiert hatte.

Europas Abhängigkeit wird weiter steigen

In Europa hingegen, wo staatliche Planwirtschaft und eine reservierte Haltung zu neuen Technologien, wie sie vor allem durch die starke Ökologiebewegung befeuert werden, die Entwicklungen auf dem Energiesektor prägen, werden nach Auffassung von Beobachtern die Raffineriekapazitäten zurückgehen, der Schwerpunkt des Rohstoffhandels wird sich nach Asien verschieben und die Abhängigkeit der europäischen Industriestaaten von Energieimporten rapide zunehmen.

Die Ölstaaten des Mittleren Ostens könnte die wachsende Bedeutung Nordamerikas sowie der asiatischen Konkurrenz vor völlig neue Herausforderungen stellen. Der Ölpreis könnte nicht mehr jene Bedeutung als politisches Druckmittel entfalten, wie dies noch in früheren Jahrzehnten der Fall war. Und es stellt sich auch die Frage, wie Staaten, die bislang weitgehend ausschließlich durch die Ölproduktion ihren Wohlstand und damit innere Stabilität schaffen konnten, perspektivisch ihr Portfolio verändern werden.

Vielleicht wäre ja der Aufbau einer eigenständigen Filmwirtschaft eine Option: Schließlich wurde kürzlich enthüllt, dass die Produktion des Hollywood-Films „Promised Land“, in dem der als politischer Linksaußen bekannte Schauspieler Matt Damon ein Angstszenario mit Blick auf die Fracking-Technologie malt, zum Teil von der Regierung des Ölemirats Abu Dhabi finanziert wurde.
Christian Rogler