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Politik

„Will die Türkei noch EU-Mitglied werden oder nicht?“

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Zwischen der EU und der Türkei knirscht es heftig. Die Forderung nach einem Einfrieren der Beitrittsgespräche sorgt für neuen Ärger in Ankara. Zeit für Grundsatzfragen, meint EU-Kommissionspräsident Juncker.

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Jean-Claude Juncker stellt den Willen der türkischen Regierung zu einem EU-Beitritt in Frage. „Will die Türkei EU-Mitglied werden oder nicht? Es wäre gut, wenn unsere türkischen Partner sich darüber Gedanken machten“, sagte der Chef der EU-Kommission in einem Interview der belgischen Zeitung „La Libre“. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte, man werde sich nicht erpressen lassen – derweil legt die türkische Regierung nach.

Unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan habe sich die Demokratie zunächst weiterentwickelt, so Juncker. Seit etwa zwei Jahren distanziere sich das Land aber zunehmend von europäischen Werten. „Die Machenschaften von Herrn Erdoğan (…) vermitteln den Eindruck, dass er nicht mehr will, dass sein Land um jeden Preis EU-Mitglied wird“, sagte er. Erdoğan und seine Regierung seien dabei, Europa im voraus die Schuld für ein Ende der Beitrittsverhandlungen in die Schuhe zu schieben. In einem Interview des Senders Euronews lobte Juncker indes die Türkei für die Aufnahme von Flüchtlingen. In diesem Bereich solle die EU auf Belehrungen verzichten.

Erdoğan deutet an, den Ausnahmezustand nochmal zu verlängern

Erdoğan wiederum erneuerte am Wochenende seine Vorwürfe an die EU und beschuldigte sie, Terroristen zu unterstützen. Die Türkei verlangt seit langem von der EU ein schärferes Vorgehen gegen die PKK. Bei einem Auftritt vor Tausenden Menschen in Istanbul deutete er zudem an, dass der Ausnahmezustand ausgedehnt werden könnte. „Vielleicht wird er um weitere drei Monate verlängert (…). Was geht euch das an?“, fragte Erdoğan nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansı (AA) in Richtung EU.

Der Ausnahmezustand wurde nach dem Putschversuch im Juli verhängt und soll eigentlich im Januar auslaufen. Ankara geht mit den Möglichkeiten ausgesetzter Grundrechte massiv gegen vermeintliche Putschisten sowie Oppositionelle aller Milieus vor. Über 36.000 Menschen sitzen bereits im Gefängnis, über 100.000 wurden von ihren Arbeitsplätzen entfernt.

Nach Angaben des britischen Senders BBC nahm die türkische Polizei am Samstag die Korrespondentin Hatice Kamer in der südosttürkischen Provinz Siirt fest, wo sie über ein Grubenunglück berichtete. Nach einer Meldung des türkischen Dienstes der BBC wurde Kamer am Sonntag wieder freigelassen. Ein Grund für das Vorgehen gegen Kamer, die für den türkischen Dienst der BBC arbeitet und Vorsitzende eines örtlichen Journalistenverbands ist, sei nicht angegeben worden. Ihr wird vorgeworfen, die TerrorDie Reporterin berichtete außerdem für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) und Voice of America aus der Türkei, war nach WDR-Angaben aber nicht im Auftrag des Senders in Siirt unterwegs gewesen.

Nach Angaben von Voice of America wurde am Samstag eine weitere Journalistin in der Region festgenommen. Khajijan Farqin, die ebenfalls über das Grubenunglück in Siirt berichten wollte, arbeitet freischaffend für den kurdischen Dienst von Voice of America.

„Wir werden uns nicht erpressen lassen“

Das Europaparlament hatte am Donnerstag gefordert, die Beitrittsgespräche mit der Türkei auf Eis zu legen. Die Abgeordneten wollen ihre Position überprüfen, sobald die Türkei den Ausnahmezustand aufgehoben hat. Ankara reagierte mit der Drohung, das Flüchtlingsabkommen mit der EU aufzukündigen.

„Wir werden uns nicht erpressen lassen“, entgegnete der bayerische Ministerpräsident Seehofer in der „Passauer Neuen Presse“. Europa müsse „Menschenrechte, Freiheit und Demokratie verteidigen“. Seehofer betonte, Deutschland würde in diesem Fall schon wissen, was zu tun wäre. „Wir würden unsere Grenzen dann noch besser sichern.“

Die grüne Europaparlamentarierin Barbara Lochbihler forderte, gegenüber der Türkei weiter auf die Einhaltung der Menschenrechte zu dringen. Erdoğan sei ernst zu nehmen, allerdings seien seine Äußerungen vor allem innenpolitisch motiviert, sagte sie im Deutschlandradio Kultur. Ein tatsächlicher Bruch sei nicht sehr wahrscheinlich. (dpa/ dtj)