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Gesellschaft

Österreich: Ist „Muslim“ eine Blutgruppe?

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Menschen aus Ländern, in denen der Islam Staatsreligion ist, seien häufiger an Hepatitis-B erkrankt. Mit dieser Begründung lehnte eine Ärztin des Roten Kreuzes in Linz/D. die Teilnahme österreichischer Muslime an einer Blutspendenaktion ab. (Foto: reuters)

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Blutspende in Berlin.
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Das Rote Kreuz in Linz an der Donau freut sich, so heißt es auf seiner Internetseite, stets über Blutspenden. „Für die Blutspende ist keine Anmeldung nötig und sie ist jederzeit, während der Öffnungszeiten möglich“, heißt es weiter. Auch Firmen oder sonstige Gruppen mit mehr als 50 Personen werden ermuntert, eigene Blutspendenaktionen durchzuführen, Schokolade und Getränke werden für die Spender bereitgestellt, selbst die Kosten für das Parken in der Tiefgarage werden ersetzt. Im österreichischen Bundesheer sind Blutspendenaktionen vor allem unter Soldaten sehr beliebt, da diese meist an Brückentagen durchgeführt werden und die Teilnahme den Weg in ein verlängertes Wochenende ebnet.

Auch die „Islamische Religionsgemeinde“ (IRG) Linz hatte vor einigen Wochen ihre Mitglieder zur Blutspende aufgerufen. Interessenten waren auch reichlich vorhanden, schließlich hatte es ähnliche Aktionen islamischer Gemeinden bereits in Wien oder Salzburg gegeben und die muslimischen Gemeinden legen auch auf diesem Gebiet großen Wert auf gemeinnütziges Engagement. Einzig das oberösterreichische Rote Kreuz wollte nicht mitspielen.

Ist der Islam in Österreich Staatsreligion?

Der telefonischen Auskunft einer Ärztin zufolge sollen „Menschen muslimischer oder türkischer Herkunft dafür aus medizinischen Gründen nicht infrage kommen“. Denn unter diesen sei eine erhöhte Zahl von Infektionen mit Hepatitis-B zu verzeichnen. Wörtlich soll die Ärztin gesagt haben, „Menschen, die aus Ländern kommen, in denen der Islam Staatsreligion ist“, seien meistens an Hepatitis B erkrankt. Dies ist allerdings weder in der Türkei noch im früheren Jugoslawien oder in Österreich selbst der Fall – und aus diesen Ländern kommt der weit überwiegende Teil der Muslime des Landes.

Die muslimische Gemeinde wandte sich in weiterer Folge an die Presse. Sie sieht in der Ablehnung eine pauschale Diskriminierung aufgrund der Herkunft, Medien warfen dem oberösterreichischen Roten Kreuz eine rassistische Herangehensweise vor. Die pauschale Ablehnung seitens der Ärztin habe zudem keine sachliche Grundlage. Zum einen seien die meisten muslimischen Österreicher in Österreich geboren und aufgewachsen und wären entsprechend schon von Geburt an ins heimische Gesundheitssystem eingebunden gewesen, das unter anderem auch die Gewährung einiger sozialer Vergünstigungen für Familien an die Inanspruchnahme ärztlicher Untersuchungen knüpft. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass der Gesundheitsstandard von Menschen aus muslimischen Familien schlechter sei als jener der übrigen Bevölkerung.

„Schlechte Erfahrungen mit Vereinen aus Südosteuropa“

Der Leiter der Blutzentrale Linz, Christian Gabriel, verteidigte die Entscheidung der Ärztin: „Wir haben bereits Erfahrungen mit verschiedenen Kulturvereinen aus dem südosteuropäischen Raum gemacht“, sagte er dem Onlineportal der Zeitung „Der Standard“. „De facto sind alle diese Kooperationen schiefgelaufen. Bei einigen Blutspende-Aktionen haben wir eine Hepatitis-B-Prävalenz von über 40 Prozent festgestellt.“

Er beteuerte, dass keine Diskriminierung aufgrund von Religion oder Kultur beim Roten Kreuz stattfinde. Die Organisation sei an die Grundsätze der „Neutralität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Menschlichkeit“ gebunden. Allerdings würden diese Grundsätze mitunter im Konflikt mit den hohen Qualitätsstandards stehen, an die das Rote Kreuz gebunden sei.

Mittlerweile äußerte sich auch Michael Opriesnig, Vizegeneralsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes auf die Empörung. „Menschen mit Migrationshintergrund sind bei uns als Blutspender jederzeit herzlich willkommen“, schrieb er in einer Stellungnahme auf der Homepage des Roten Kreuzes. „Ich bedauere die Verärgerung, die durch die Ablehnung von Spendenwilligen durch die Blutzentrale Linz entstanden ist, und entschuldige mich bei allen, die dadurch in ihren Gefühlen verletzt wurden.“

Entschuldigung der Blutzentrale-Chefs

Auch aus anderen Bundesländern kam Bedauern über den Vorfall in Linz. „Wir finden das sehr positiv – diese Menschen wollen schließlich für Österreich ihr Blut spenden“, wird Eva Menichetti, Leiterin der Blutzentrale für Wien, NÖ und das Burgenland, im „Kurier“ zitiert. Um Missverständnisse zu vermeiden, werde im Vorfeld das Prozedere besprochen und Zulassungskriterien erklärt: „Grundsätzlich sind wir für alle offen.“ Die Zusammenarbeit funktioniere ausgezeichnet. Laut Menichetti soll es künftig bundesweit eine einheitliche Regelung im Umgang mit derartigen Fällen geben.

In Linz kam es, so berichtete der „Kurier“ weiter, am Mittwochnachmittag zu einem Krisengipfel zwischen der IRG-Spitze und der Führung der Blutzentrale. In einem einstündigen Gespräch wurden die Probleme angesprochen und Lösungsansätze gesucht. Die Blutzentrale-Chefs distanzierten sich dabei von jeder diskriminierenden Haltung und entschuldigten sich ausdrücklich für die Formulierung ihrer Ärztin. „Die Angelegenheit ist damit für uns soweit aus der Welt geschafft”, sagt IRG-Vorsitzender Murat Baser. Das Gespräch sei in sehr angenehmer Atmosphäre verlaufen. Mit der Zusicherung, die gescheiterte Blutspendenaktion bald nachzuholen, sei man wieder auseinandergegangen.