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Gesellschaft

„In Deutschland fehlt eine Sanktionierung von Islamfeindlichkeit“

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Die Ausländerfeindlichkeit der 80er Jahre hat sich in eine antimuslimische Grundhaltung gewandelt, kritisieren Muslime in
Deutschland. Über Gründe und Auswege sprachen Experten auf einer Tagung in Osnabrück.

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Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der
Muslime in Deutschland, stellt die Forderung gleich zu Beginn in den
Raum. Notwendig sei die öffentliche Ächtung des „antimuslimischen
Rassismus“ in der Gesellschaft. Dafür brauche es zwar auch Gesetze.
Sie aber seien nicht das Einzige. „Es fehlt noch eine negative
Sanktionierung von Islamfeindlichkeit. In der Öffentlichkeit haben
wir das im Bereich des Antisemitismus Gott sei Dank erreicht. Das
muss sich in Bezug auf die muslimische Gemeinschaft in diesem Land
noch entwickeln“, so Mazyek am Freitagabend bei einer
Podiumsdiskussion zum Thema „Flüchtlinge, Islamophobie und der innere
Frieden“ in Osnabrück.

Welcher Hass etwa dem Zentralrat der Muslime in der aktuellen Debatte
um die Flüchtlinge entgegenschlägt, veranschaulicht ein Brief, den
Mazyek an diesem Abend mitgebracht hat. Unverhohlen wird darin den
Muslimen vorgeworfen, dass sie „unser schönes Deutschland“ mit ihrer
Anwesenheit „verpesten“. Man werde sie jagen und ihre Moscheen in die
Luft sprengen, zitiert Moderatorin Annett Abdel-Rahmann vom
Aktionsnetz muslimischer Frauen aus der Hetzschrift, die mit einer
nationalsozialistischen Grußformel endete. Diese Drohungen müsse man
in einem Kontext sehen, meint Mazyek. „Die Silvesternacht war ein
Anlass für eine bestimmte Gruppe in unserem Land, die nach solch
einem Anlass gelechzt hat.“

Auch in den Moscheegemeinden registriere man Verunglimpfungen oder
beispielsweise per Post verschickte Schweineköpfe mittlerweile nicht
mehr als bloße Ausländerfeindlichkeit. Lange Zeit habe man dort auch
versucht, dieses Problem zu verdrängen, sagte Burhan Kesici,
Generalsekretär des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland.
Man stelle auch immer wieder fest, dass der antimuslimische Rassismus
auch nicht richtig geahndet werde.

Wie kann Integration gelingen?

Ein paradoxes Merkmal in der Debatte um die Fluchtbewegung meint der
Migrationsforscher Jochen Oltmer ausgemacht zu haben. Noch nie habe
man in der Geschichte der Bundesrepublik so intensiv über Zuwanderung
diskutiert, sagte der Wissenschaftler vom Institut für
Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) an der
Universität Osnabrück. „Zwar hat das Niveau in der Debatte
zugenommen, aber auch Feindlichkeit, Rassismus und Gewalt sind
gewachsen.“

Die Frage über allem: Wie aber kann Integration gelingen und der
innere Frieden gewahrt bleiben? Als nicht mehr zeitgemäß beurteilt
Oltmer Inhalte der 2005 eingeführten Sprach- und Orientierungskurse
für Asylbewerber. „Ich will eine breite Debatte darüber, welche Werte
in diesen Kursen heute vermittelt werden sollen“, so Oltmer. Die
Pädagogin Melahat Kişi schlägt vor, nicht nach den Kriterien von
Mehrheit und Minderheit zu diskutieren. „Wir könnten uns auch als
Bürger verstehen und den Fokus auf das Recht legen. Auf der Basis von
nicht verhandelbaren Grundrechten sollten wir gemeinsam entscheiden,
in welcher Rechtsordnung wir leben wollen.“

Die Podiumsdiskussion war Teil einer internationalen Tagung in
Osnabrück. Drei Tage beschäftigten sich renommierte Forscher und
Nachwuchswissenschaftler mit dem Thema „Antimuslimischer Rassismus
und Islamfeindlichkeit in Deutschland und Europa“. Nach Konferenzen
über „Salafismus“ und „Islamismus“ war dies das dritte Symposium,
welches das Institut für Islamische Theologie der Universität
Osnabrück veranstaltete. (kna/dtj)