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Miraç, die einzigartige Reise des Propheten Muhammad (sav) zu Allah
In vielen Religionen gibt es „heilige“ Tage, die von den Gläubigen besonders hervorgehoben und begangen werden. Am 10. Mai zum Beispiel feiern die Christen „Christi Himmelfahrt“. Ein ähnliches Fest gibt es auch im Islam.
Denn heute Nacht begehen die Muslime weltweit den Tag der Himmelsreise des Propheten Muhammad. Allerdings gibt es unter Muslimen unterschiedliche Meinungen darüber, wie dieser Tag zu verstehen ist. Dazu später mehr.
Nach der Tradition soll heute vor etwa 1500 Jahren der Prophet Muhammad (Friede sei mit ihm) eine Reise in den Himmel angetreten haben und dort dem Schöpfer begegnet sein. Aus diesem Grund feiern die Muslime die sogenannte Miraç-Nacht. Die Islamwissenschaftlerin Muna Tatari von der Universität Paderborn erklärt die Bedeutung des Wortes wie folgt: „Es ist ein arabischer Begriff und von der gleichen Wurzel leitet sich ein Wort ab, was so etwas wie Leiter bedeutet. Es ist die Assoziation von Emporsteigen, von einer Sphäre in die nächste zu gehen.“
In dieser besonderen Nacht gehen Muslime traditionell in die Moschee und nehmen an religiösen Zeremonien teil. Es werden Predigten gehalten, Lieder gesungen, Passagen aus dem Koran kunstvoll rezitiert und Gottes Namen aufgezählt. Die Ereignisse der geheimnisvollen Himmelsreise Muhammads werden in der Überlieferung mit lebhaften Bildern beschrieben. Tatari sagt: „Was wir aus der Propheten-Biografie dazu wissen, ist, dass es die Geschichte gibt, dass Muhammad geschlafen hat und er geweckt wurde und er auf diesem Himmelstier, einer weißen Stute, die Burak genannt wird, zuerst von Mekka nach Medina geritten ist und dann die Himmelsreise gemacht hat.“ Muhammad soll bei dieser Reise neue Stufen seiner Spiritualität erreicht und dadurch noch mehr von Gott gesehen haben, als ihm überhaupt gestattet war.
„In der allgemeinen Tafsir-Literatur gilt die Überzeugung, dass die ersten Verse der Sure 53 sich darauf beziehen. Er soll in Höhen aufgestiegen sein, zu denen selbst der Großengel Gabriel keinen Zugang mehr hatte und wo er eine unmittelbare Begegnung mit Gott hatte“, erläutert die Islamwissenschaftlerin.
Angesichts dieser außergewöhnlichen spirituellen Erfahrung soll ein islamischer Mystiker gesagt haben, wenn er solch eine hohe Stufe im Himmel erreicht hätte, wäre er nicht wieder auf die Erde zurückgekehrt.
„Ein Prophet will zurückkehren und die Geschichte verändern“
„Und das ist eben der prophetische Moment daran. Ein Mystiker will es vielleicht nicht, aber ein Prophet will zurückkommen und – gestärkt durch diese Erfahrung der Gottesbegegnung – die Geschichte verändern“, so Tatari.
Die Himmelsreise soll sich in einem besonderen Lebensabschnitt Muhammads ereignet haben. Denn damals hatte er seine erste Frau, Khadidja, und seinen Onkel Abu Talib verloren. „Die ganzen Jahre davor waren Jahre der Bedrängnis, die deswegen für Muhammad händelbar waren, weil er unter dem Schutz seines Onkels Abu Talib stand. Khadidja ist an den Folgen des Boykotts der Mekkaner gestorben. Und im gleichen Jahr ist Abu Talib gestorben. Das waren zwei geliebte Menschen für ihn und ich denke, das hat schon zu einer Art Krise geführt, in die man diese Himmelsreise auch kontextualisieren kann.“
Wie kann die Himmelsreise des Propheten verstanden werden?
Aber wie diese mystische Himmelsreise des Propheten verstanden werden kann, darüber gibt es bei Muslimen unterschiedliche Meinungen. Dazu die Islamwissenschaftlerin Muna Tatari:
„Da gibt es innerislamisch unterschiedliche Erklärungsmodelle, aus der islamischen Tradition heraus. Wir haben einmal das Erklärungsmodell, dass er tatsächlich mit seinem Körper in einem Nu von Mekka nach Jerusalem gereist ist – und in den Himmel. Und es ist schon aber sehr früh innerislamisch diskutiert worden, dass es eine Reise des Geistes war, und dadurch nicht weniger wahr. Aber da gibt es sozusagen innerislamisch eine Vielfalt an Ansichten und Interpretationen dessen, was wir an überlieferten Texten dazu haben.“
Salafisten akzeptieren nur die eine Version
Eine besonders radikale Position wird von vielen Salafisten vertreten. Denn nach ihrer Vorstellung fällt ein Muslim vom Glauben ab, wenn er annimmt, dass Muhammad Gott gesehen habe. In diesem Zusammenhang erinnert Tartari an eine inzwischen vergessene islamische Tradition, nach der unterschiedliche Meinungen im Glauben selbstverständlich toleriert wurden.
„Wenn Sie sich die Arbeiten von Olivier Roy, einem französischen Islamwissenschaftler, angucken, dann analysiert er sehr gut, dass fundamentalistische Strömungen im Islam ein Phänomen der Moderne ist, wo es um Eindeutigkeit geht, was an sich nicht schlecht ist. Aber bei einer Eindeutigkeit, die andere Positionen diffamiert und ihnen sozusagen eine Existenzberechtigung abspricht, da wird es problematisch. Und das ist in der Tat ein Phänomen der Moderne, die auch mit Traditionsabbruch zu tun hat, wo innerislamisch nicht mehr so das Bewusstsein vorhanden ist, dass gerade Meinungsverschiedenheit praktiziert wurde über Jahrhunderte hinweg.“
Persönliche Himmelsreise ist das tägliche Gebet
Bei solchen Überlieferungen wie der Himmelsreise des Propheten unterscheiden islamische Theologen in der Regel verschiedene Vorstellungen von Wahrheit. Muna Tartari: „Also, dass wir einmal die Ebene der Wahrheit haben auf der historischen Ebene, ‚in was für einem Kontext hat Muhammad gelebt?‘, und dann habe ich die Wahrheit auf der Ebene der Prinzipien, auf der von Werten und Normen. Da kann ich mir angucken: ‚Was für eine Relevanz kann das für uns haben?‘ Und da hat die islamische Theologie eine Antwort drauf, indem sie sagt: Die persönliche Himmelsreise des einzelnen Gläubigen ist das fünfmalige, tägliche Gebet. Und wenn ein Gebet gut läuft, und man es schafft, nicht daran zu denken, ob der Herd ausgeschaltet ist und was man noch bügeln und lernen muss, sondern wenn man es wirklich schafft, sich zu konzentrieren, steckt in dem fünfmaligen, täglichen Gebet die Potenz, eine Gotteserfahrung zu machen. Und das ist das, wo die Geschichte eine persönliche Wahrheit bekommen kann.“
Das erkläre auch den besonderen Stellenwert des islamischen Pflichtgebets. Denn nach der Überlieferung hat Muhammad das Gebet schließlich als göttliches Geschenk von seiner Reise in den Himmel mitgebracht. Tatari erklärt: „Und es gibt ja auch diese wunderbare Erzählung, wie Muhammad wieder herabgestiegen ist, am Ende des Himmelstores Moses begegnet ist. Und Moses gefragt hat, wie viele Gebete hat Gott dir denn für deine Gemeinde gegeben? Und Muhammad sagt 50. Und Moses sagt: ‚Das wird zu schwer sein! Gehe zu Gott und bitte ihn um weniger.’“
Nach dieser Erzählung habe Muhammad tatsächlich nochmal mit Gott „verhandelt“, bis es schließlich nur noch fünf Gebete waren. „Und Gott kommentiert das und sagt in der Überlieferung: ‚Wenn jemand aufrichtig fünfmal am Tag betet, so wird es sein, als hätte er fünfzigmal am Tag gebetet.’“