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Wirtschaft

Türkei: Ist Exportziel von 500 Mrd. Dollar im Jahr 2023 realistisch?

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Der Vorstandsvorsitzende der Alarko Holding, Ishak Alaton, hält das Exportziel der Türkei von 500 Mrd. Dollar bis zum Jahr 2023 für unrealistisch. Bürgerkriege an der Grenze und Korruptionsvorwürfe trüben die Aussichten. (Foto: cihan)

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Im Jahre 2023 wird die türkische Republik 100 Jahre alt. Das ist ein rundes Jubiläum. Der neue Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die regierende Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP) unter Ahmet Davutoğlu wollen das Land nicht nur über das Jahr 2023 hinaus regieren, sondern auch noch weitere politische und wirtschaftliche Ziele erreichen. So soll die Türkei bis 2023 unter die ersten zehn Wirtschaftsnationen der Welt aufsteigen. Aktuell liegt sie vor den Niederlanden und hinter Indonesien auf Platz 17. Zu den Ländern, welche die Türkei bis dahin überholen will, zählen neben Indonesien auch noch Südkorea, Mexiko, Spanien, Australien, Kanada und Indien. Um an diesen Staaten vorbeizuziehen, bleiben der Türkei noch neun Jahre.

Der Staatspräsident und die AKP haben den Türken vieles versprochen. Auf eine neue Verfassung warten die Türken immer noch. Das Wirtschaftswachstum und der Export sind jedoch die Aushängeschilder der AKP-Regierung, die das Land seit 2002 regiert. Weder Arbeitsunfälle – wie zuletzt in Soma, wo über 300 Bergleute umkamen – noch das immer weiter auseinander driftende Einkommensgefälle zwischen Arm und Reich vermag daran etwas zu ändern. Auch wenn viele politische Versprechen nicht eingehalten worden sind und der Zweifel an der AKP zunimmt, der Durchschnittstürke verbindet mit der AKP immer noch Wachstum und Wohlstand.

AKP will bis 2023 auf „Niveau der zeitgenössischen Zivilisation“ steigen

Ist aber ein Exportanstieg von 151 Milliarden US-Dollar im Jahre 2013 auf 500 Milliarden im Jahre 2023 überhaupt zu schaffen? Erdoğan und die AKP-Wirtschaftsexperten glauben fest daran, dass dieses Ziel zu erreichen ist. Aus dem von Nihat Zeybekçi geführten Wirtschaftsministerium heißt es dazu: „Das Ziel der Türkei für 2023 ist es, auf das Niveau der zeitgenössischen Zivilisation zu steigen, eine der zehn wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt zu werden, das Pro-Kopf-Einkommen auf 25 000 Dollar zu erhöhen, ein Exportvolumen von 500 Milliarden Dollar zu verwirklichen, zu einem noch reicheren, noch mächtigeren Land mit einer starken Demokratie zu werden, das in der Weltwirtschaft und der Weltpolitik eine wichtige Rolle spielt.“

Unter denjenigen, die durch ihr unternehmerisches Wirken dieses Ziel erreichen sollen, mehren sich aber kritische Stimmen. Einer von diesen Zweiflern ist der Vorstandsvorsitzende der Alarko Holding, Ishak Alaton (Foto). Dieser hält sogar ein Exportziel von 200 Milliarden Dollar für das Jahr 2023 für schwierig.

Er steht mit seiner Einschätzung nicht allein. Auch der Vorsitzende des mächtigsten türkischen Industrieverbandes TÜSIAD, Haluk Dinçer, zweifelt daran, dass der türkische Export im Jahre 2023 auf 500 Milliarden Dollar steigen wird. Er nennt hierfür nicht nur wirtschaftspolitische Gründe, sondern auch außenpolitische: „Es sieht nicht so aus, als ob sich das, was wir an der Südgrenze unseres Landes beobachten, schnell legen wird.“ Dinçer meint die Bürgerkriege im Irak und in Syrien, die zunehmend auch die Türkei in ihren Bann ziehen.

Kritische Stimmen mehren sich

Auch wenn die AKP-Regierung sich große Ziele für die Zukunft setzt und nach den Kommunalwahlen und Präsidentschaftswahlen auch die Parlamentswahlen Mitte nächsten Jahres für sich entscheiden will, ist sie doch viel mehr mit der Vergangenheit und der Gegenwart als mit der Zukunft beschäftigt. Seit dem 17. Dezember 2013 kämpft die Partei mit Korruptionsvorwürfen. Zudem versucht Erdoğan gezielt der Wirtschaft zu schaden, indem er Verbände und Unternehmen, die nicht auf seiner politischen Linie sind, bestraft. Aktuellstes Beispiel ist sein illegales Vorgehen gegen die Bank Asya. Korruption und die Bekämpfung von Banken sind jedoch kein Weg, um die selbstgesetzten und stets propagierten Ziele für das Jahr 2023 erreichen zu können.

Die außenpolitische Strategie der AKP-Regierung ist nicht aufgegangen. Sie hat darauf gesetzt, dass Assad gestürzt wird und Mursi im Amt bleibt. Sie hat alle oppositionellen Kräfte in Syrien – auch die extremistischen – unterstützt und gerät deswegen zunehmend unter internationalen Druck. In der Innenpolitik verliert sie immer mehr an Unterstützung, weil ihr Kampf gegen die Hizmet-Bewegung teils groteske Züge annimmt. Auch im Friedensprozess mit der terroristischen PKK kommt man nicht voran. Der AKP-Regierung bleibt nur noch ihr Erfolg in der Wirtschaftspolitik.

Es stellt sich die Frage, wie die AKP-Regierung ihre ambitionierten Ziele für das Jahr 2023 erreichen will, wenn sie außenpolitisch an Einfluss verliert und gleichzeitig einen innenpolitischen Konflikt mit bestimmten Gruppen führt.