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Politik

Ukraine, Gaza, Irak und Syrien: Braucht die Welt eine Weltpolizei USA?

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Hat die Instabilität, die wir weltweit erleben, schon ein historisches Ausmaß erreicht? Eine amerikanische Denkfabrik sieht die Passivität der USA als Hauptgrund. Doch ist die Rückkehr der „Weltpolizei“ wirklich die Lösung? (Foto: reuters)

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US-Außenpolitik: Hat die Instabilität, die wir weltweit erleben, schon ein historisches Ausmaß erreicht? Eine amerikanische Denkfabrik sieht die Passivität der USA als Hauptgrund. Doch ist die Rückkehr der „Weltpolizei“ wirklich die Lösung?
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ANALYSE In Deutschland wird in Krisenzeiten gerade von konservativen Kreisen ein stärkeres und militärisches Engagement der Bundesregierung gefordert. Als Vorbild wird hierbei oft die USA genannt, da sie bei jedem wichtigen Konflikt eingreift und somit auf den ersten Blick noch mehr Opfer und Zerstörung verhindert. Ukraine, Gaza, Irak und Syrien sind aktuelle Beispiele dafür, dass sich alle Blicke zuerst nach Washington richten, mit der Hoffnung Obama möge doch ein Machtwort sprechen.

Wer bewaffnete Konflikte entschärfen will, weiß derzeit kaum, an welchen Brandherd er zuerst eilen soll. Lassen die übrigen westlichen Länder die USA allein? Die Bundesregierung hat sich nach mäßigen Debatten im Bezug auf den Konflikt im Irak dazu entschlossen, Waffen an die kurdischen Peschmerga zu liefern. Ein Schritt in die richtige Richtung?

Die offiziellen Gründe für die Entscheidung der Bundesregierung sind unter anderem, dass die Kurden sich mit deutschen Waffensystemen besser verteidigen könnten und so die auch für den Westen gefährlichen IS-Terroristen aufhalten werden.

In der Region scheinen etliche Konfliktherde zu lodern, in immer mehr Ländern kommt es zu politischen Krisen oder bewaffneten Konflikten. Doch hat die Zahl der Krisen tatsächlich zugenommen oder kommt uns das vielleicht nur so vor, weil sich einige in relativer Nähe zu Deutschland abspielen, so etwa der Ukrainekonflikt?

Auflösung einer instabilen Ordnung

Nicht nur Medien und Politiker, sonder auch Sicherheitsexperten und Beobachter sind auf der Suche nach Antworten nach dieser und weiterer Fragen. „Die Zahl der bewaffneten Konflikte hat seit dem Ende des Kalten Krieges nicht zugenommen“, sagt der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks), Hans-Dieter Heumann. Gestiegen sei jedoch die Zahl der „instabilen und zerfallenden Staaten“. Dazu zählt er unter anderem Somalia, Libyen und Mali.

„In Nahost und Nordafrika beobachten wir im Moment die Auflösung einer instabilen Ordnung, die nach dem Ersten Weltkrieg entstanden war“, stellt Heumann fest. Der Konflikt zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen, der auch von Regionalmächten wie Katar, Saudi-Arabien und Iran befeuert werde, könne langfristig sogar zu einer Verschiebung von Staatsgrenzen in der Region führen.

„Fällt die Welt auseinander?“, fragte die Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden, eine der einflussreichsten US-Denkfabriken, in der vergangenen Woche. Die Antwort ihrer Experten auf diese Frage lässt sich mit „Nein, aber“ zusammenfassen. Sie beobachten seit Beginn dieses Jahres eine „Kaskade der Krisen“. Grund dafür ist ihrer Ansicht nach auch die Tatsache, dass die USA dabei sind, sich von ihrer Rolle als Weltpolizist zu verabschieden.

Niedergang des US-Machtmonopols: Gefahr für die Welt – oder doch nur für die USA?

Die etwas zögerliche Haltung der USA werde von nichtstaatlichen Akteuren wie al-Qaida oder der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) genauso registriert wie von verschiedenen Regionalmächten. Das Ergebnis sei eine Streuung der Macht. „Durch eine derartige Streuung werden sich die Ursachen für gewaltsame Konflikte in der Welt vervielfachen“, warnt die US-Stiftung, die dem amerikanischen Außenministerium nahe steht.

Die USA ist bereit, für die Durchsetzung ihrer Interessen Opfer zu bringen - wie hier in Afghanistan. (rtr)

Auch die Hilfsorganisationen würden die Ergebnisse dieses Zerfallsprozesses bereits spüren. „Die Vielzahl der derzeitigen Konflikte bringt uns als Hilfsorganisationen und unsere Mitarbeiter besonders in den Krisenländern an unsere Grenzen“, sagte der Vorstandsvorsitzende von World Vision und ehemalige CDU-Politiker, Christoph Waffenschmidt, kürzlich bei der Vorstellung der Jahresbilanz seiner Organisation.

Im aktuellen Welt-Friedens-Index des in New York und Sydney ansässigen Instituts für Wirtschaft und Frieden (IEP) bildet das Bürgerkriegsland Syrien auf Platz 162 derzeit das Schlusslicht. Als extrem „unfriedlich“ identifizierten die Forscher auch Afghanistan, den Irak, Somalia und den Südsudan.

Türkei „wurde in ihren außenpolitischen Möglichkeiten überschätzt“

Zu den aufstrebenden Mächten zählt der Baks-Präsident Heumann aktuell nicht nur China, sondern auch den Iran. Die Türkei dagegen „wurde in ihren außenpolitischen Möglichkeiten überschätzt“, so der Baks-Präsident. Die Krise in der Ost-Ukraine wird das Verhältnis zwischen den EU-Staaten und Russland zwar nachhaltig verändern: „Ein neuer Kalter Krieg in Europa droht aber nicht.“

Ein weiterer Grund dafür, dass viele Menschen heute das Gefühl haben, die Zahl der bewaffneten Konflikte habe weltweit zugenommen, ist die Rolle der Medien bei internationalen Konflikten. Sie vermitteln nicht nur zahlreiche Bilder von den Konflikten, sondern fungieren oft auch als Akteure, indem sie Gewaltpolitik legitimieren. Die Bilder von der Rettung der verzweifelten Jesiden im Irak konnte sich in den vergangenen Wochen jeder fast live anschauen. Als die irakische Luftwaffe im März 1988 die kurdische Stadt Halabdscha mit Giftgas bombardierte, dauerte es Wochen bis die ersten verwackelten Fotos der Opfer einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden.

Bei der Analyse der Experten der amerikanischen Carnegie-Stiftung wird jedoch vernachlässigt, dass es oft das militärische Eingreifen der Vereinigten Staaten war, wodurch bestehende politische und gesellschaftliche Ordnungen gewaltsam aufgelöst wurden und die betroffenen Regionen dadurch teilweise ins Chaos abrutschten. Beispiele für diese unselige Interventionspolitik, in dessen Mittelpunkt nicht das Wohl der einheimischen Bevölkerung steht, sondern US-Interessen, sind die Feldzüge in Afghanistan, dem Irak und Libyen.

Aus Sicht des US-Außenministeriums, dessen Aufgabe es ist, weltweit amerikanische Interessen zu wahren und durchzusetzen – eben US-Außenpolitik zu betreiben – mag die Forderung nach einer erneuten Rolle der USA als „Weltpolizei“ zwar logisch erscheinen und Sinn ergeben. Dem Rest der Welt sollte dieser durch eine einflussreiche Denkfabrik entworfene Plan vor diesem geschichtlichen Hintergrund fast schon als bedrohlich erscheinen. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass die USA, nachdem sie ihre Ziele verwirklicht hat, oft keine stabilen und funktionierenden staatlichen Strukturen zurücklässt und die Menschen mit ihren Problemen alleine gelassen sind. (dpa/dtj)