Connect with us

Politik

Wie viele demonstrierten nun wirklich für Erdoğan?

Spread the love

Gestern fand in Düsseldorf unter dem Titel „Respekt für die Demokratie“ eine Solidaritätskundgebung für die türkische Regierung statt. Wenig später ergaben sich hinsichtlich der in den Medien kursierenden Teilnehmerzahlen Irritationen. (Foto: dpa)

Published

on

Wie viele demonstrierten nun wirklich für Erdoğan?
Spread the love

Die Veranstalter hatten im Vorfeld 50 000 Menschen erwartet. Die Boulevard-Zeitung „Express“ berichtete von 14 000 Menschen. Die „Rheinische Post“ vermeldete 17 000 Menschen. Die Polizei gab in einer Pressemeldung um 19.12 Uhr an, dass 25 000 Menschen teilgenommen hätten. Die Tagesschau berichtete in der 20 Uhr-Ausgabe hingegen von 20 000 Menschen.

TAZ-Kommentator Pascal Beucker schrieb in seinem gestrigen Beitrag: „…und mehr sind gekommen als noch unlängst in Köln gegen ihn demonstriert haben.“ Damit spielte er auf die von der AABF e.V. organisierte Kundgebung in Köln an, die nach polizeilichen Angaben 30 000 umfasste. Nach Beucker waren also in Düsseldorf mehr als 30 000 Menschen anwesend.

Teilnehmer der Kundgebung geben an, dass nach ihren Schätzungen zwischen 50 000 bis 100 000 Menschen anwesend waren. Kamuran Sezer, DTJ-Kolumnist und Leiter des futureorg Instituts, nahm ebenfalls an der Kundgebung teil. Wir baten ihn um eine Einschätzung.

Herr Sezer, wie viele Personen haben Ihrer Schätzung nach an der Kundgebung teilgenommen?

Der Ort, der für die Kundgebung ausgesucht wurde, bietet Platz für 100 000 Menschen an. Ich hatte den Eindruck, dass mehr als die Hälfte des Platzes gefüllt war. Ich gehe daher davon aus, dass deutlich mehr als 50 000 Menschen teilgenommen haben. Damit stand meine persönliche Beobachtung, aber auch die meiner Freunde vor Ort, im Widerspruch zu den Angaben in den Medien und der polizeilichen Angabe.

Woher resultiert diese gravierende Diskrepanz Ihrer Meinung nach?

Ich war über diese Abweichungen doch sehr irritiert. Die Polizei spricht von 25 000 Teilnehmern. Die Veranstalter von 80 – 100 000. Daher habe ich mich schriftlich an die Pressestelle der Düsseldorfer Polizei gewendet. Mich interessierte, wie die Schätzung der Polizei zustande gekommen war.

Und welche Antwort haben Sie erhalten?

Leider erfolgte keine schriftliche Antwort. Ich wurde stattdessen vom Pressesprecher der Düsseldorfer Polizei angerufen, der sich sehr für mein Institut zu interessieren schien. In einem freundlichen wie konstruktiven Gespräch bat ich ihn um eine Aussage, die ich mir notieren kann. Er formulierte folgende Aussage:

„Wir als Einsatzerfahrene, die regelmäßig mit Menschen und Kundgebungen zu tun haben, sind gestern nach groben Einschätzungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Teilnehmerzahl auf der Kundgebung am Rheinuferpark 25 000 Menschen umfasste. Unsere Einschätzung basiert auf Menschen- und Verkehrsströmen sowie dem Überblick über die Gesamtveranstaltung.“

Wie bewerten Sie diese Aussagen?

Ich bin von den profunden Erfahrungen der Düsseldorfer Polizei sehr überzeugt. Keine Frage. Ich glaube auch, dass die Polizei um Ehrlichkeit und Fairness bemüht ist. Die Aussage der Düsseldorfer Polizei macht allerdings deutlich, dass es sich um eine „grobe Schätzung“ handelt, die nicht auf einer systematische Zählung oder Hochrechnung beruht. Da die Teilnehmerzahl in der politischen Diskussion eine wichtige Bedeutung einnimmt – denn sie weist auf das Mobilisierungspotenzial jener Gruppe hin – ist es bedauerlich, dass eine objektiv belastbare Angabe fehlt. So liegt die Wahrheit irgendwo zwischen 25 000 und 100 000 Teilnehmern. Diese Spannweite jedoch ist für die Symbolpolitik, die wesentlicher Bestandteil von politischen Kundgebungen ist, zu groß. Das hinterlässt ein Vakuum im Diskurs, das durch die Kommunikationsarbeit politischer Interessengruppen je nach Coleur beliebig ausgefüllt werden kann. Das Kräftemessen könnte unnötig in die Länge gezogen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solcher Zustand im Interesse der Beteiligten liegt.