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Kultur/Religion

Erdogan zu Gast bei Fazil Say

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In der Türkei bereitet sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auf einen Konzertbesuch der besonderen Art vor. Auf Einladung des türkischen Star-Pianisten Fazil Say führt es nach Angaben des türkischen Präsidialamtes heute ins Congresium in Ankara. Dort wird der Klavier-Virtuose seine weltberühmte Troja Sonata Performance vorführen.

Fazil Say in der Türkei keine Chance

Say galt lange Jahre für die Regierung Erdogans als eine der stärksten Stimmen der politischen Opposition. Nicht nur, weil die Ausführungen des Künstlers äußerst spitz waren, sondern auch wegen der internationalen Reichweite des weltbekannten Pianisten. Say wurde schließlich in der Türkei boykottiert und lebte mehrere Jahre eher im Ausland. Ein offizielles Exil stand nicht an, doch Say lebte quasi in einem inneren Exil. Seine Konzerte gab er rund um den Globus, doch in die Türkei konnte er nicht mehr auftreten.

Fazil Say und die politische Haltung eines Künstlers

In der Vergangenheit ist Fazil Say auch mit herabwürdigenden Aussprüchen gegenüber den Islam aufgefallen. Dies führte wiederum zu großer Kritik seitens konservativer Türken, insbesondere aus dem Lager des politischen Islam, inklusive Präsident Erdogan. Wegen einer grenzwertigen Äußerung auf Twitter wurde Say in 2013 sogar wegen Blasphemie zu zehn Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Obwohl Say danach vorsichtiger wurde, mit persönlicher Meinung an die Öffentlichkeit zu gehen, entschied sich das Genie am Klavier für eine künstlerische Kritik. So produzierte er anlässlich der Gezi-Park Proteste in Istanbul eine Klaviersonate mit drei Teilen. Die Gezi Park 1, 2 und 3.

Fazil Say: „Ich will meine Kunst in der Türkei ausüben“

Doch mit dem Tod seiner Mutter Ende August vergangenen Jahres, hat sich einiges geändert. Nicht nur im Leben des Künstlers, sondern auch in dessen politischen Umfeld. Der erklärte Atheist Say veröffentlichte zunächst ein Foto von der islamischen Abschiedszeremonie seiner verstorbenen Mutter. Dort war Say auf einem Moscheehof, neben vielen betenden Muslimen und einem Imam zu sehen. Sie alle beteten in Trauer für die verstorbene Frau Say. Daraufhin wurde Fazil Say von Konservativen, Säkularen und Atheisten via Social Media kritisiert, zum Teil auch massiv beleidigt. Say reagierte daraufhin sehr emotional, drückte seine Trauer aus.

Erdogan ruft Fazil Say an

„Erdogan rief an, tat seinen Beileid sehr ehrlich kund, mit einer warmen Stimme, sehr echt“. Diese Worte von Fazil Say gab Journalsit Ertugrul Özkök in einem Artikel wieder. Er habe die Genehmigung von Say, diese private Anekdote zu veröffentlichen. Danach wendete sich das Blatt. Zwischen Erdogan und Say entwickelte sich eine kleine „Romanze“. Am Tag seiner Trauer stand Erdogan als Staatspräsident der Türkei an der Seite des Ausnahmetalents. Dieser lud ihn hingegen zu seinem Konzert ein. Heute soll es soweit sein.

Erdogan flirtet mir Fazil Say und greift andere Künstler an

Erdogan, der vor kaum einer Woche auf kritische Äußerungen von Schauspieler wie Rutkay Aziz, Metin Akpinar und Müjdat Gezen sehr brachial antwortete und die altgedienten Star-Schauspieler öffentlich demütigte, geht nun auf ein Konzert von Fazil Say. Ironisch ist in diesem Zusammenhang, dass Erdogan besonders empfindlich auf die Forderung reagierte, Werke von Mozart zu hören. Das täte ihm gut, so Aziz. Erdogan wütete daraufhin, und empfand diese Forderung als Beleidigung höchsten Grades. Jetzt geht er auf ein Konzert von Say, der als der türkische Mozart gehandelt wird.

Unterschiedliche Reaktionen auf Erdogans Besuch eines Fazil Say Konzerts

Auf der beliebten Diskussionsplattform der Türkei eksisözlük wurde das Thema diskutiert. Einige Stimmen waren befürwortend. An Tagen wie diesen könne eine solche Annäherung zwei so extremer Pole ein Hoffnungsschimmer für die Türkei sein. Andere hingegen warfen beiden ein abgesprochenes Spiel vor, bei dem sowohl Erdogan als auch Fazil Say als Gewinner einer Heuchelei dastehen werden. Doch auf dem ersten Blick überwiegt eine positive Atmosphäre um diese Annäherung. Morgen wird die Türkei mindestens eine Sonate lang die Ruhe und Annäherung genießen. Der Rest wird sich dann noch zeigen.